Jamal Khashoggi (†59) ist tot. Der Journalist und Kritiker der saudi-arabischen Regierung ist am 2. Oktober im Saudi-Konsulat in Istanbul ums Leben gekommen. Die Saudis haben am Freitagabend über ihre Staatsmedien seine Tötung in ihrer Botschaft erstmals bestätigt. Der Golf-Staat hat zuvor über zwei Wochen lang die Version vertreten, dass Khashoggi noch am gleichen Tag ihr Konsulat quicklebendig verlassen haben soll. Jetzt die 180-Grad-Kehrtwende.
Khashoggi soll laut der neusten Darstellung der Saudis nach einem «Kampf» im Innern des Konsulats ums Leben gekommen sein. Eine «Diskussion» zwischen ihm und «denjenigen, die er im Konsulat des Königreichs in Istanbul getroffen» habe, soll sich zu einem Faustkampf entwickelt haben, der zum Tod des «Washington-Post»-Journalisten geführt habe. Das berichtete die Saudi-Agentur SPA mit Verweis auf die Staatsanwaltschaft. Gleichzeitig wurden 18 Festnahmen und die Entlassungen des Vizepräsidenten des Geheimdienstes, Ahmad al-Assiri, sowie diejenige von Saud al-Kahtani, ein hochrangiger Berater des Königs, bekanntgegeben.
Türken-Version stützt sich auf Audioaufnahmen
Damit haben die Saudis zwar die Tötung Khashoggis bestätigt, nicht aber die Medienberichte rund um die barbarische Folterung, die der Regierungskritiker vor seinem Ableben durchmachen musste. Türkische Ermittler gehen davon aus, dass Khashoggi von einem 15-köpfigen Mordkommando bewusst umgebracht wurde, die am selben Tag ins Land ein- und wieder ausreisten.
Auf Tonaufnahmen soll zu hören sein, wie die Folterknechte zuerst Khashoggis Finger abschnitten, bevor sie ihm eine Spritze verpassten. Anschliessend soll der saudische Gerichtsmediziner Salah Muhammed Al-Tubaigy mit einer Knochensäge zerstückelt haben. Als er zur Tat schritt, soll er sich einen Kopfhörer übergezogen und den übrigen Folterknechten gesagt haben: «Wenn ich diesen Job mache, höre ich Musik. Ihr solltet das auch tun.»
Trump ziert sich wegen Milliarden-Waffendeal
Auf der ganzen Welt hat der Fall Khashoggi für Aufsehen gesorgt. Die Wirtschaft reagierte umgehend. Diverse CEOs gaben ihr Fernbleiben vom Investoren-Gipfel in Riad von Ende Monat bekannt. Unter den prominenten Absagen sind Jamie Dimon, CEO von JP Morgan, Ford-Vorsitzender Bill Ford, AOL-Gründer Steve Case und Uber-Chef Dara Khosrowshahi. Auch CS-Chef Thiam und ABB-Chef Ulrich Spiesshofer gaben dem Event, der auch als «Davos in der Wüste» bezeichnet wird, einen Korb.
In den USA hat die Tötung von Khashoggi für besonderes Aufsehen gesorgt. Denn der Journalist schrieb nicht nur für eine der renommiertesten Zeitungen im Land, er lebte auch in den USA. US-Präsident Donald Trump (72) zierte sich lange davor, die Saudis für seine Ermordung verantwortlich zu machen. Immer wieder verwies er auf den milliardenschweren Waffendeal, den er eingefädelt habe. «Die Russen hätten diesen Auftrag gerne gehabt, ebenso die Chinesen», sagte Trump. Er werde jetzt nicht das Geschäft und Milliarden von Dollar aufs Spiel setzen, so sein Standpunkt.
Mitte Woche: Der Druck nahm zu
Doch der Druck wurde immer grösser. Am Donnerstagabend – einen Tag bevor die Saudis die Tötung Khashoggis zugaben, hat Trump erstmals seinen Ton verschärft. Es sehe nicht positiv aus, sagte der US-Präsident gegenüber der «New York Times». «Wenn das Wunder aller Wunder nicht geschieht, müssen wir wohl eingestehen, dass er tot ist», so Trump. Das wäre «schlecht, sehr schlecht» und sollte «schwerwiegende Folgen» haben.
Am Freitag, nur wenige Stunden vor dem Eingeständnis der Saudis, hatte Trump neue Erkenntnisse im Fall Khashoggi in den kommenden Tagen in Aussicht gestellt. «In den nächsten zwei oder drei Tagen werden wir viel wissen», sagte er bei einem Auftritt in Scottsdale im US-Bundesstaat Arizona. «Ich könnte am Montag viel wissen.» Sanktionen gegen Saudi-Arabien schloss der Präsident nicht aus. Auf eine entsprechende Frage sagte er: «Könnte sein, könnte sein.»
Trump: «Ein sehr grosser erster Schritt»
Als am Freitagabend die neuste Saudi-Version Washington erreichte, blieb das sonst so impulsiv handelnde Weisse Haus mitsamt seinem Twitter-Präsidenten erstmal kleinlaut. Nach einer Stunde veröffentlichte die Regierung eine dünne Stellungnahme. Man nehme die neusten Ermittlungsergebnisse aus Saudi-Arabien zur Kenntnis und werde die internationalen Untersuchungen weiterhin genau verfolgen. Ausserdem wurde den Angehörigen Khashoggis kondoliert. Zu möglichen Konsequenzen wollte sich niemand äussern.
Gegen Ende des Abends äusserte sich dann der US-Präsident in Arizona doch noch. Auf die Frage eines Reporters, ob er die Version der Saudis für glaubwürdig halte, antwortete er mit «Ja, das tue ich.» Es sei nur ein erster Schritt, aber «ein sehr grosser». Er habe noch einige Fragen an den saudischen Kronprinzen Mohammed Bin Salman und werde ihn demnächst anrufen. Den Waffen-Deal will Trump aber nicht infrage stellen. «Das letzte, was ich tun will, ist ihnen zu sagen, dass wir nicht liefern werden.»
Trumps Freunde fordern Konsequenzen
Trumps Parteikollegen gaben sich weitaus angriffiger. Der republikanische US-Senator Lindsay Graham twitterte am Freitagabend: «Es wäre eine Untertreibung zu sagen, dass ich der neuen saudischen Schilderung zum Tod Herrn Khashoggis skeptisch gegenüberstehe.» Und weiter: «Erst haben wir erzählt bekommen, dass Herr Khashoggi das Konsulat angeblich verlassen hat, und es gab ein pauschales Dementi jeglicher saudischer Verstrickung.» Jetzt solle plötzlich ein Streit ausgebrochen sein, und alles ohne Wissen des Kronzprinzen, fügte er skeptisch hinzu.
Sein Parteikollege Rand Paul forderte unverzügliche Konsequenzen. Alle militärischen Verkäufe und Hilfen für Saudi-Arabien sollten unverzüglich eingestellt werden, schrieb er auf Twitter. Der Republikaner Bob Corke forderte die USA auf, eine eigenständige Untersuchung einzuleiten. Die Geschichte der Saudis ändere sich «mit jedem Tag». Die US-Regierung müsse deshalb ihre «eigene unabhängige, glaubwürdige» Ermittlung über die Verantwortung für Khashoggis Mord einleiten, schrieb er auf Twitter.
Der US-Kongressabgeordnete Eric Swalwell hat Saudi-Arabien aufgefordert, die USA über den Verbleib der Leiche Khashoggis aufzuklären. «Wo ist die Leiche?», schrieb der demokratische Abgeordnete auf Twitter. Khashoggis Familie stehe es zu, sofort seine sterblichen Überreste in ihre Obhut nehmen zu können.
Seit dem 2. Oktober wird der saudische Regierungskritiker und Journalist Jamal Khashoggi vermisst. Die Anzeichen verdichten sich, dass der 59-Jährige im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul ermordet und zerstückelt wurde. Der saudische Regierung streitet aber nach wie vor ab, hinter dem Verschwinden des Journalisten zu stecken.
Die neuesten Entwicklungen und Enthüllungen erfahren Sie hier im News-Ticker zum Thema.
Seit dem 2. Oktober wird der saudische Regierungskritiker und Journalist Jamal Khashoggi vermisst. Die Anzeichen verdichten sich, dass der 59-Jährige im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul ermordet und zerstückelt wurde. Der saudische Regierung streitet aber nach wie vor ab, hinter dem Verschwinden des Journalisten zu stecken.
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