Der Kater des Partywochenendes wird immer heftiger – vor allem für den Zürcher Club Flamingo. Hier steckte ein Superspreader mehrere Personen an. Und die Zürcher Behörden wollen nun durchgreifen: In einer superprovisorischen Verfügung, die BLICK vorliegt, wollen sie den Club bis und mit Sonntag dichtmachen.
Denn nach dem Event geriet der Club Flamingo heftig unter Beschuss. Kantonsärztin Christiane Meier sagte am Sonntag, dass auf der Gästeliste, die der Club abgegeben habe, ganz offensichtlich Fake-E-Mail-Adressen sowie falsche Telefonnummern standen – zudem sei die Gästeliste wohl unvollständig gewesen.
Clubbetreiber muss Schutzkonzept verbessern
Und tatsächlich: Gastrounternehmer Reto Hanselmann (38), der beklagte, nicht informiert worden zu sein, stand nicht auf der vom Flamingo abgegeben Kontaktliste. Das bestätigt die Gesundheitsdirektion gegenüber BLICK. Was also lief da schief? Machte der Club schwerwiegende Fehler?
Sicher ist: Der Kanton will diesem Treiben nicht mehr länger zusehen. Der Club Flamingo hat eine superprovisorische Verfügung erhalten, die BLICK vorliegt. Bis er ein wirksames Schutzkonzept vorlegen könne, bleibe der Club geschlossen, ist darin zu lesen. Frühestens dürfte das Flamingo am 6. Juli wieder öffnen. Der Kanton bestätigt die Verfügung. «Herr Macchia hat bis Dienstagnachmittag die Möglichkeit für eine Stellungnahme. Dann wird die Gesundheitsdirektion entscheiden und kommunizieren.»
Club-Betreiber schiebt «Systemfehler» vor
Cédric Schweri ist der Pächter des Clubs Flamingo, er vermietet den an Betreiber Vito Macchia. Dieser nimmt nun im BLICK Stellung zu den Vorwürfen. Er beteuert, der Club habe von allen Partygängern verlangt, dass sie sich auf der Gästeliste eintragen. Macchia: «Wir haben die Angaben der Leute elektronisch erfasst. Und beim Einlass kontrolliert, dass sie sich wirklich eingetragen haben. Das Einzige, was ich mir vorstellen kann, ist ein Systemfehler.» Und dass zu viele Leute im Club waren, wie ihm in den Medien vorgeworfen werde, das stimme auch nicht.
Macchia gibt allerdings zähneknirschend zu: «Einige wenige Freunde des Hauses kamen an dem Abend rein, ohne sich auf die Liste zu schreiben. Ich kenne vier der Corona-Positiven persönlich, leider.» Ausgerechnet sie seien nicht auf der Liste eingetragen gewesen. Macchia: «Ein grosser Fehler!»
«Sie waren in mehreren Clubs»
Und dann schaltet der Club-Betreiber in den Gegenangriff. Denn so sei er zwar noch zu Beginn von der Gesundheitsdirektion gelobt, danach aber stark kritisiert worden. Das sei unfair. «Es wurde nur unser Club namentlich genannt. Aber ich weiss, dass die Corona-Kranken in verschiedenen Zürcher Lokalen waren an diesem Abend.» Die Namen der anderen Clubs seien aber nie publiziert worden. Die Clubschliessung will Vito Macchia jetzt noch abzuwenden versuchen.
Bei der Zürcher Gesundheitsdirektion widerspricht Mediensprecher Marcel Odermatt der Darstellung. Der Superspreader habe angegeben, nur im Flamingo gewesen zu sein. «Die Kollegen des Superspreaders waren gemäss unseren Informationen an diesem Abend noch nicht infektiös. Sie konnten unterwegs sein, ohne dass sie für andere Personen eine Gefahr gewesen wären.»
Weitere Verbreitung im Kanton Aargau
Der Abend hat dennoch weitreichende Folgen. Es bleibt nicht bei den fünf Personen, die der Superspreader im Club Flamingo in Zürich mit dem Coronavirus ansteckte. Seit gestern Abend ist klar: Weitere 20 Personen haben sich in der Tesla Bar in Spreitenbach AG angesteckt – und sie stehen in Verbindung mit der Party im Flamingo!
In der Tesla-Bar befanden sich am Abend der Ansteckung etwa 100 Menschen. Jetzt versuchen die Aargauer Behörden, auch diesen Flächenbrand einzudämmen und alle Kontaktpersonen dieser 20 Infizierten zu eruieren. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit. «Wir haben letzten Freitag einen Anruf vom Kanton bekommen und wurden über den Corona-Ausbruch informiert. Die Bar haben wir sofort geschlossen», sagt Tesla-Bar-Chef Daniel J.* (36) zu BLICK. Er selber ist auch infiziert. Seine Angestellten und er bleiben jetzt für zehn Tage zu Hause – Quarantäne.
15 Betriebe kontrolliert, zwei beanstandet
Die anderen Clubs rund um Zürich dürften nach den Geschehnissen nun gewarnt sein – doch die Szene mauert. Niemand will reden. Abgestellte Telefone. Wortkarge Clubbesitzer. «Ich hab keine Lust, darüber zu reden», heisst es. Auskunft geben über Contact Tracing und Corona-Ausbreitung? Bloss nicht.
300 Menschen dürfen gleichzeitig im Club sein – doch wer kontrolliert, wie viele Leute wirklich drin sind? Das übernimmt die Verwaltungspolizei, die aber lediglich nach Augenmass und mit Stichproben die Bars und Clubs zu den Covid-Verordnungen kontrolliert. 15 Betriebe wurden am letzten Wochenende kontrolliert – zwei beanstandet. Ob Bussen ausgesprochen oder eine mögliche Schliessung in Erwägung gezogen werden, konnte auf Anfrage von BLICK nicht beantwortet werden.
«Man kann die Leute nicht für immer einsperren»
Welche Folgen das Superspreader-Wochenende für die Clubs in Zürich haben wird, ist unklar. Flamingo-Pächter Cédric Schweri sagt zu BLICK: «Natürlich muss man eine Lösung finden, aber wenn man diese Lokale wieder schliesst, gehen sie bankrott. Der Lockdown hat der Event- und Gastrobranche bereits genug geschadet, und man kann die Leute ja nicht für immer einsperren.»
* Name bekannt