Nach Betrugsvorwürfen gegen renommierten Arzt
Ist er ein Verleumder?

Schmerzarzt D. (49) verlor den Job und seinen guten Ruf. Schuld sei ein anderer Arzt, der ihn bei Medien und Behörden angeschwärzt habe.
Publiziert: 14.03.2016 um 11:58 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 13:59 Uhr
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Am See-Spital in Horgen ZH arbeiteten die zerstrittenen Ärzte zusammen.
Foto: zvg
Roland Gamp und Katia Murmann

Wochenlang sorgte letztes Jahr der Schmerzarzt D.* (49) vom See-Spital in Horgen ZH für Schlagzeilen. Er sei verantwortlich für «unan­gemessene Behandlungen, fehlende Dokumentationen, du­biose Abrechnungen», berich­tete die «Weltwoche». Sie wid­mete dem Thema sieben Artikel, auch NZZ und «Tages-Anzeiger» sprangen auf.

Die Anschuldigungen seien falsch, sagt D. Dahinter stecke ein anderer Arzt, der damals am See-Spital gearbeitet habe: Der Rückenspezialist B.* (54), gegen den zurzeit ein Verfahren wegen Betrugs läuft. Er soll eine Patientin (92) um 2500 Franken betrogen haben, in etlichen anderen Fällen wird ermittelt (SonntagBlick berichtete).

B. habe Patienten zu falschen Anschuldigungen angestiftet um ihm, D., zu schaden. Die gravierendsten Beispiele:

Patienten klagen an

Am 2. April 2015 berichtete die «Weltwoche» von Louis Guambo** (57). Er erhielt von D. am See-Spital in Horgen wegen starker Rückenschmerzen einen teuren Neuros­timulator eingesetzt. Ein Implantat, das durch Stromstösse Schmerzen lindert.

«Irritierend an diesem Fall ist, dass Louis Guambo klar festhält, D. habe ihm das Gerät ohne vorangehende Testphase eingesetzt», steht im Artikel. Dies ist jedoch Pflicht. Zudem habe das Implantat seine Schmerzen nicht gelindert.

SonntagsBlick liegt eine Stellungnahme der Herstellerin des Neuro­stimulators vor. Die Firma bestätigt, dass D. sehr wohl eine Test­phase durchgeführt hat. Die Protokolle be­legen weiter, dass Guambo eine Schmerz­reduktion von «70 bis 80 Prozent» angegeben hat.

Patient Beat Grieder** (49) berichtete der «Weltwoche», dass er mit D. eine Ozontherapie gegen seine Rückenschmerzen vereinbart hatte. Diese habe er nie erhalten. D. habe der Krankenkasse das Betäubungs­mittel Naropin in Rechnung gestellt, aber auch dieses habe er nicht verabreicht bekommen.

Das Spital bestritt dies in der Folge. Die Berichterstattung sei «einseitig und zum Teil tatsachenwidrig», sagt Mediensprecher Manuel Zimmermann (61).

«Ein Racheakt von B.»

Grieder wandte sich mit seinen Vorwürfen aber nicht nur an die Medien, sondern auch an die Zürcher Staatsanwaltschaft. Im Juli 2015 erstattete er Strafanzeige gegen die Spitalleitung. Darin behauptet er, D. sei wegen ungetreuer Geschäftsführung verurteilt. Eine falsche Behauptung, wie der Auszug aus dem Strafregister zeigt.

Wieso aber machen Patienten gegenüber Medien und Behörden falsche Aussagen über ihren Arzt? Caroline Bono (52), Rechtsvertreterin von D., sagt: «Es gibt viele Hinweise, dass es sich hier um einen Racheakt von B. handelt.»

2004 gründeten D. und B. gemeinsam eine Schmerzklinik. Diese ging nach nur zwei Jahren in Konkurs und musste schliessen. Der Fall wurde mit einem Vergleich beigelegt. D. bezahlte den Gläubigern mehrere Hunderttausend Franken, um die Geschichte abzuhaken. Doch für B. war sie offenbar nicht beendet.

Per Zufall landeten die beiden Ärzte Jahre später nach einer Spitalfusion am See-Spital. «Dokumente belegen, dass B. meinen Klienten dort von Anfang an angeschwärzt hat», sagt Rechtsanwältin Bono.

Die Spitalleitung ging nicht auf die Kritik ein. Stattdessen desakkreditierte sie B. im März 2014. «Infolge wiederholter und erheblicher Verstösse gegen das Krankenversicherungsgesetz und gegen interne Reglemente als Belegarzt», so die Begründung des Spitals.

Auch bei Behörden angeschwärzt

Danach soll B. die Kampagne gegen D. losgetreten haben. Er sprach sich neben den Patienten immer wieder selber in der Öffentlichkeit gegen seinen ehemaligen Kollegen aus. Dieser soll in meh­reren Fällen falsch abgerechnet haben, sagte er der NZZ.

B. taucht auch in der Anzeige von Patient Grieder als «Kontaktperson Recherchen» auf. Im Dezember wandte er sich direkt an die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich. Er behauptete, D. sei wegen Betrugs rechtskräftig verurteilt. In Italien und Deutschland habe man ihm deswegen die Approbation entzogen. Das ist alles gelogen, wie entsprechende Dokumente belegen.

Die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich untersuchte die Vorwürfe. Vor einem Monat kam sie zum Schluss, dass D. Patien­tendokumentationen lückenhaft geführt und Spritzen gesetzt hatte, ohne zu röntgen, dies aber bei der Kasse so verrechnete. «Eine Reihe weiterer öffentlich erhobener oder der Gesundheitsdirektion zugetragener Vorwürfe sind nicht bestätigt worden.»

Strafanzeige eingereicht

Die späte Rehabilitation nützt D. wenig. Er entschied im letzten Herbst gemeinsam mit der Leitung, das Spital zu verlassen. Die Vorwürfe in den Medien hätten «das Vertrauen der Patienten untergraben», hiess es.

D., der sich zuvor noch nie selbst zur Affäre geäussert hat, sagt: «Für mich ist es unverständlich, dass instrumentalisierte Patienten solch falsche Anschuldigungen gegenüber Behörden und Me­dien machen, um mir zu schaden.» Er hat gegen B. und Patient Grieder nun Straf­anzeige wegen falscher Anschuldigung und Verleumdung erstattet.

B. ist weiter als Rückenspezialist in einer Privatklinik im Kanton Zürich tätig. Zu den Vorwürfen, er habe seinen ehemaligen Kollegen verleumdet, will er nicht Stellung nehmen, solange die Anzeige hängig ist. Auch die Patienten Grieder und Guambo wollen sich auf Anfrage von SonntagsBlick nicht zum Fall äussern. 

* Name der Redaktion bekannt** Namen geändert

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