Wochenlang sorgte letztes Jahr der Schmerzarzt D.* (49) vom See-Spital in Horgen ZH für Schlagzeilen. Er sei verantwortlich für «unangemessene Behandlungen, fehlende Dokumentationen, dubiose Abrechnungen», berichtete die «Weltwoche». Sie widmete dem Thema sieben Artikel, auch NZZ und «Tages-Anzeiger» sprangen auf.
Die Anschuldigungen seien falsch, sagt D. Dahinter stecke ein anderer Arzt, der damals am See-Spital gearbeitet habe: Der Rückenspezialist B.* (54), gegen den zurzeit ein Verfahren wegen Betrugs läuft. Er soll eine Patientin (92) um 2500 Franken betrogen haben, in etlichen anderen Fällen wird ermittelt (SonntagBlick berichtete).
B. habe Patienten zu falschen Anschuldigungen angestiftet um ihm, D., zu schaden. Die gravierendsten Beispiele:
Patienten klagen an
Am 2. April 2015 berichtete die «Weltwoche» von Louis Guambo** (57). Er erhielt von D. am See-Spital in Horgen wegen starker Rückenschmerzen einen teuren Neurostimulator eingesetzt. Ein Implantat, das durch Stromstösse Schmerzen lindert.
«Irritierend an diesem Fall ist, dass Louis Guambo klar festhält, D. habe ihm das Gerät ohne vorangehende Testphase eingesetzt», steht im Artikel. Dies ist jedoch Pflicht. Zudem habe das Implantat seine Schmerzen nicht gelindert.
SonntagsBlick liegt eine Stellungnahme der Herstellerin des Neurostimulators vor. Die Firma bestätigt, dass D. sehr wohl eine Testphase durchgeführt hat. Die Protokolle belegen weiter, dass Guambo eine Schmerzreduktion von «70 bis 80 Prozent» angegeben hat.
Patient Beat Grieder** (49) berichtete der «Weltwoche», dass er mit D. eine Ozontherapie gegen seine Rückenschmerzen vereinbart hatte. Diese habe er nie erhalten. D. habe der Krankenkasse das Betäubungsmittel Naropin in Rechnung gestellt, aber auch dieses habe er nicht verabreicht bekommen.
Das Spital bestritt dies in der Folge. Die Berichterstattung sei «einseitig und zum Teil tatsachenwidrig», sagt Mediensprecher Manuel Zimmermann (61).
«Ein Racheakt von B.»
Grieder wandte sich mit seinen Vorwürfen aber nicht nur an die Medien, sondern auch an die Zürcher Staatsanwaltschaft. Im Juli 2015 erstattete er Strafanzeige gegen die Spitalleitung. Darin behauptet er, D. sei wegen ungetreuer Geschäftsführung verurteilt. Eine falsche Behauptung, wie der Auszug aus dem Strafregister zeigt.
Wieso aber machen Patienten gegenüber Medien und Behörden falsche Aussagen über ihren Arzt? Caroline Bono (52), Rechtsvertreterin von D., sagt: «Es gibt viele Hinweise, dass es sich hier um einen Racheakt von B. handelt.»
2004 gründeten D. und B. gemeinsam eine Schmerzklinik. Diese ging nach nur zwei Jahren in Konkurs und musste schliessen. Der Fall wurde mit einem Vergleich beigelegt. D. bezahlte den Gläubigern mehrere Hunderttausend Franken, um die Geschichte abzuhaken. Doch für B. war sie offenbar nicht beendet.
Per Zufall landeten die beiden Ärzte Jahre später nach einer Spitalfusion am See-Spital. «Dokumente belegen, dass B. meinen Klienten dort von Anfang an angeschwärzt hat», sagt Rechtsanwältin Bono.
Die Spitalleitung ging nicht auf die Kritik ein. Stattdessen desakkreditierte sie B. im März 2014. «Infolge wiederholter und erheblicher Verstösse gegen das Krankenversicherungsgesetz und gegen interne Reglemente als Belegarzt», so die Begründung des Spitals.
Auch bei Behörden angeschwärzt
Danach soll B. die Kampagne gegen D. losgetreten haben. Er sprach sich neben den Patienten immer wieder selber in der Öffentlichkeit gegen seinen ehemaligen Kollegen aus. Dieser soll in mehreren Fällen falsch abgerechnet haben, sagte er der NZZ.
B. taucht auch in der Anzeige von Patient Grieder als «Kontaktperson Recherchen» auf. Im Dezember wandte er sich direkt an die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich. Er behauptete, D. sei wegen Betrugs rechtskräftig verurteilt. In Italien und Deutschland habe man ihm deswegen die Approbation entzogen. Das ist alles gelogen, wie entsprechende Dokumente belegen.
Die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich untersuchte die Vorwürfe. Vor einem Monat kam sie zum Schluss, dass D. Patientendokumentationen lückenhaft geführt und Spritzen gesetzt hatte, ohne zu röntgen, dies aber bei der Kasse so verrechnete. «Eine Reihe weiterer öffentlich erhobener oder der Gesundheitsdirektion zugetragener Vorwürfe sind nicht bestätigt worden.»
Strafanzeige eingereicht
Die späte Rehabilitation nützt D. wenig. Er entschied im letzten Herbst gemeinsam mit der Leitung, das Spital zu verlassen. Die Vorwürfe in den Medien hätten «das Vertrauen der Patienten untergraben», hiess es.
D., der sich zuvor noch nie selbst zur Affäre geäussert hat, sagt: «Für mich ist es unverständlich, dass instrumentalisierte Patienten solch falsche Anschuldigungen gegenüber Behörden und Medien machen, um mir zu schaden.» Er hat gegen B. und Patient Grieder nun Strafanzeige wegen falscher Anschuldigung und Verleumdung erstattet.
B. ist weiter als Rückenspezialist in einer Privatklinik im Kanton Zürich tätig. Zu den Vorwürfen, er habe seinen ehemaligen Kollegen verleumdet, will er nicht Stellung nehmen, solange die Anzeige hängig ist. Auch die Patienten Grieder und Guambo wollen sich auf Anfrage von SonntagsBlick nicht zum Fall äussern.