Allzu lange vor sich herschieben können die Mitholzer einen Entscheid nicht, auch wenn es bis zur Räumung der Munition und der Evakuierung des Dorfes noch mindestens elf Jahre dauert. Im Rahmen einer Mitwirkung will der Bund der Dorfbevölkerung bereits bis Ende März den Puls fühlen.
Zwar müssen die 170 Dorfbewohner bis dann noch keinen endgültigen Entscheid treffen, doch mindestens Gedanken machen werden sich die meisten.
Vor allem älteren Leuten, die ihren Lebensabend in vertrauter Umgebung verbringen wollten, dürfte ein Wegzug sehr schwer fallen, wie Gemeindepräsident Roman Lanz am Mittwoch der Nachrichtenagentur Keystone-sda sagte.
Für viele ältere Mitholzer sei es daher ein Herzenswunsch, ihr oftmals seit Generationen bewohntes Haus dereinst ohne Wertverlust an eine nachfolgende Generation übergeben zu können, weiss Lanz aus Bevölkerungssprechstunden in seiner Gemeinde.
Die Bevölkerung in Mitholz ist laut Lanz nach der gestrigen Nachricht über eine zehnjährige Evakuierung des Dorfs sehr betroffen. So richtig fassbar seien die Auswirkungen der von der Dorfbevölkerung gewünschten Räumung des alten Munitionslagers noch nicht.
«Das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport hat uns das Bekenntnis gegeben, dass das Dorf nicht einfach nur entvölkert werden soll, sondern dass es nach der Räumung auch eine Zukunft hat», betonte Lanz.
Für diejenigen, die in der Gemeinde Kandergrund, zu der das Dorf Mitholz gehört, bleiben wollen, braucht es Bauland. Doch das bäuerlich geprägte Kandergrund ist nicht eben mit Baulandreserven gesegnet.
Lanz hatte deswegen bereits bei Regierungsrätin Evi Allemann angeklopft und die Situation geschildert. Allemann machte dem Gemeindepräsidenten Hoffnung, dass für einen so speziellen Fall auch spezielle Massnahmen möglich sein müssten. Dies habe Regierungsrat und Sicherheitsdirektor Philippe Müller am Informationsabend der Bevölkerung am Dienstag bekräftigt, sagte Lanz.
Müller versprach «Wir wollen schnell und möglichst unbürokratisch helfen". Wer in Kandergrund wohnhaft bleiben wolle, könne auf die Hilfe des Kantons zählen. Dies, obschon die Gemeinde über kein Bauland verfüge.
Doch nicht nur ein Um- oder Wegzug dürfte viele in Mitholz bewegen. Denn seit Bekanntwerden des grösseren Risikos, das vom alten Munitionslager im Fels ausgeht, haben die Liegenschaften klar an Wert verloren. Der Kanton Bern hat daher den Schätzwert bereits um einen Viertel reduziert.
Der Bund hat laut Lanz beschlossen, den Liegenschaftsbesitzern rückwirkend auf Juni 2018 eine Entschädigung für den Minderwert zu zahlen. Dies solange, bis die Evakuierung erfolgt. Diese Entschädigung sei mit keinerlei Verpflichtungen verbunden und erfolge von Seiten des Bundes freiwillig, sagt Lanz. Das heisst auch, dass der Bund die Höhe der Entschädigung bestimmt.
Damit Häuser während der zehnjährigen Evakuierungsphase nicht zu sehr in Mitleidenschaft gezogen werden, sollen Zeitfenster eingerichtet werden, in denen die Besitzer zu ihren Häusern schauen können.
Auch für die Bewirtschaftung des Landwirtschaftslandes soll es Zeitfenster geben. Doch laut Lanz müssen solche Fragen noch eingehender diskutiert werden.
Der Gemeindepräsident blickt trotz allem positiv in die Zukunft, «auch wenn die Leute nun um eine Generation verpflanzt werden», wie er sagte.
Sei das Munitionslager erst einmal geräumt, werde der Wert der Liegenschaften wieder steigen. Profitieren könnte seine Gemeinde auch von einer angedachten Umfahrungsstrasse, die zunächst um den bestehenden Gefahrenherd herumführt und später das Dorf vom Durchgangsverkehr entlasten würde.
Im Juni 2018 informierte der Bundesrat, dass in dem vor über 70 Jahren explodierten Munitionslager der Armee in einem Berg bei Mitholz eine grössere Gefahr ausgehe, als bisher angenommen.
1947 vernichteten drei grosse Explosionen etwa die Hälfte der dort eingelagerten 7000 Bruttotonnen Munition. Neun Menschen starben, 200 wurden obdachlos.
(SDA)