Memory Banda (23) kämpft für die Opfer ritueller Vergewaltigungen in Afrika
«Auch meiner Schwester wurde die Kindheit geraubt»

Im ostafrikanischen Staat Malawi herrscht eine grausame Tradition: Um sie ins Erwachsenenleben einzuführen, werden Mädchen vergewaltigt. Memory Banda erzählt BLICK, wie sie gegen den Brauch kämpft und wie dank ihr das Heiratsalter erhöht worden ist.
Publiziert: 23.02.2020 um 23:16 Uhr
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Als Memory Banda zwölf Jahre alt war, erlebte sie, wie ihre kleinere Schwester vergewaltigt und geschwängert wurde.
Foto: Philippe Rossier
Guido Felder

Die zierliche Frau im rosaroten Kleid und auf hohen Stilettos ist eine der grössten Heldinnen Afrikas. Sie hat es geschafft, dass in ihrem Heimatland Malawi eine brutale Tradition bekämpft und das Heiratsalter von 15 auf 18 Jahre erhöht worden ist. BLICK traf Memory Banda (23) am Geneva Summit of Human Rights and Democracy in Genf.

Das Engagement der jungen Kämpferin begann in einem Alter, in dem Mädchen in der Schweiz ihre ersten Shoppingtouren im Einkaufszentrum machen. Als Memory zwölf Jahre alt war, musste sie erleben, wie ihre um ein Jahr jüngere Schwester Mercy in einem Ritual vergewaltigt und geschwängert wurde.

Zum Abschluss eine Vergewaltigung

Gegenüber BLICK erzählt sie: «Es gibt Tausende von Mädchen, die in ein sogenanntes Ignition Camp gesteckt werden, sobald sie die Periode bekommen.» In diesen mehrtätigen Lagern bringt man ihnen bei, wie sie sich im Erwachsenenleben zu verhalten und den Männern zu gefallen haben.

Zum Abschluss dieser «Ausbildung» folgt jeweils der brutalste Akt. Memory Banda: «Die Mädchen werden vergewaltigt und verheiratet. Auch meiner kleinen Schwester wurde so die Kindheit geraubt sowie Träume und die Zukunft zerstört.»

Memory wehrte sich

Für Memory, bei der die Menstruation später als bei ihrer kleinen Schwester einsetzte, war klar, dass sie sich dieser grausamen Tradition widersetzen würde. Ihre verwitwete Mutter, die aus dem Norden des Landes stammt, wo dieses Ritual nicht gepflegt wird, stärkte ihr den Rücken.

Von betroffenen Mädchen liess sich Memory den Ablauf dieser Camps erklären. Es war der Start ihrer Kampagne «Ich heirate, wann ich will!» und ihrer Stiftung für Girls Leadership (F4GL), die für Frauen den Zugang zu Rechten, Gleichstellung und Bildung verlangt.

Sie zwang Häuptlinge in die Knie

Den härtesten Kampf führte Memory bei den einzelnen Stämmen. Als 13-Jährige machte sie sich in den Busch auf und klopfte bei Häuptlingen an. «Ich war so eingeschüchtert, es war so hart», erzählt sie. Die Leader verhöhnten sie und fragten, was sie denn schon wisse und was sie das Thema überhaupt angehe. Memory Banda: «Ich fühlte mich sehr klein und zweifelte, dass ich überhaupt etwas ändern könnte.»

Die Stimmung kippte, als sich internationale Organisationen für ihr Anliegen starkmachten und die Häuptlinge Angst vor negativer Berichterstattung in den Medien bekamen. «Zuerst hat meine Gemeinde das schreckliche Ritual abgeschafft. Dann haben sich immer mehr Gemeinden angeschlossen», erzählt Memory Banda nicht ohne Stolz.

Einfluss auch im Parlament

Auch auf politischer Ebene wurde Memory aktiv. Sie belagerte das Parlamentsgebäude, sprach Abgeordnete an und bombardierte sie mit SMS. Mit ihrer Hartnäckigkeit erreichte sie tatsächlich, dass 2017 die Verfassung angepasst und das Heiratsalter – bisher war jedes dritte Mädchen von Kinderehe betroffen – landesweit von 15 auf 18 Jahre angehoben wurde.

Memory Banda hat im vergangenen Jahr den sozialwissenschaftlichen Bachelor im Bereich Entwicklungsstudien abgeschlossen und träumt von einem Job bei den Vereinten Nationen, um ihren Kampf global weiterführen zu können. Inzwischen hat sie einen Freund. Hochzeit? Kinder? Ja, aber noch nicht jetzt. Memory Banda: «Ich brauche noch Zeit für mich – jene Zeit, die so vielen Mädchen gestohlen wurde.»

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