Medien
Schaffhauser Lokalreporter für Altersheimrecherche ausgezeichnet

Der Co-Redaktionsleiter der Wochenzeitung «Schaffhauser AZ», Mattias Greuter, ist Swiss Press Journalist of the Year. Er ist am Mittwoch für eine Artikelreihe ausgezeichnet worden, in der er trotz Druck der Behörden gravierende Missstände in einem Heim aufdeckte.
Publiziert: 27.04.2022 um 20:55 Uhr
Siegerbild der Kategorie "Aktualität": Denis Balibouse hat für Reuters das Treffen zwischen US-Präsident Joe Biden und Russlands Präsident Wladimir Putin 2021 in Genf fotografiert.
Foto: DENIS BALIBOUSE

Diese führten letztlich zur Schliessung der Institution und zu Ermittlungen der Staatsanwaltschaft.

«Jemand muss dieses Heim dichtmachen», hiess der Titel des ersten Artikels und Auftakts zu einer Serie, in der Greuter vor einem Jahr die gravierenden Missstände im Pflegeheim «Hand in Hand» in Neunkirch SH schilderte. Dabei ging es um mangelnde Hygiene, Pflegefehler, Alkohol- und Medikamentenmissbrauch, manipulierte Abrechnungen und vernachlässigte Bewohnerinnen und Bewohner.

Politik und Verwaltung hätten versucht, die Recherchen zu verhindern und auf ihn einzuwirken, sagte Greuter der Fondation Reinhardt von Graffenried, welche die jährlichen Schweizer Journalisten- und Fotografenpreise vergibt.

Doch stattdessen schrieb der Journalist weitere Artikel, verwendete eine Aussage des SP-Regierungspräsidenten, die Story sei «erschreckend schlecht geschrieben» als Werbeflyer für seine Wochenzeitung und erreichte am Ende, dass das Pflegeheim geschlossen wurde, dessen ehemalige Chefin in Untersuchungshaft landete und die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufnahm.

Greuter habe sich sehr viel Zeit genommen, um die Behauptungen der verschiedenen Quellen zu verifizieren, heisst es in der Begründung. Er sei bei seiner Recherche vorsichtig und mit der «gebotenen Zurückhaltung» vorgegangen, und nach der Schliessung des Heims habe er sich für die entlassenen Angestellten eingesetzt.

Es sei einer Lokalzeitung hoch anzurechnen, wenn sie ihrer Kritik- und Kontrollfunktion nachkomme, «auch wenn sich die Wege der Journalistinnen und der Objekte unweigerlich kreuzen». Das sei «Journalismus mit Wirkung (...) und das in einer kleinen, einer sehr kleinen Zeitung mit wenigen tausend Exemplaren Auflage (...und...) bescheidenen Resssourcen».

Der zweite Preis in der Sparte Text geht an Boris Busslinger von der Westschweizer Zeitung «Le Temps» für seine Reportage über Velokurriere in Zürich, «Sklavenarbeiter auf zwei Rädern». Den dritten Preis erhält Marc Tribbelhorn für einen Artikel über den letzten Swissair-CEO Mario Corti in der «Neuen Zürcher Zeitung».

Als bester Online-Beitrag ausgezeichnet wurde der Artikel «Alle koksen, die Schweiz kokst noch mehr» von Florian Schoop, Joana Kelén, Fabian Baumgartner, Franco Gervasi und Linda Koponen in der «Neuen Zürcher Zeitung». Er zeichnet die Reise des weissen Pulvers nach, von der Ankunft in Spanien bis an die Langstrasse in Zürich und bringe dem Publikum auch «die knallharte Realität abseits von Konsum und Ausschweifung näher».

Den ersten Preis in der Kategorie Audio holt sich das Autorinnen-Team der Podcast-Serie «Skalpell und Wahn» für die «NZZ am Sonntag». Patrick Imhasly, Tehere Lüthi, This Wachter und Simon Meyer erzählen darin die Geschichte der Psychochirurgie, die einen - gemäss Jury - eintauchen lässt «in die dunklen Seiten der Geschichte dieser Gehirnoperationen», die an Patientinnen und Patienten mit psychischen Störungen durchgeführt wurden.

In der Sparte Video siegt der RTS-Journalist François Ruchti mit seiner Recherche über einen blutigen Clankrieg zwischen kosovarischen Familien im Kanton Freiburg, der bisher mindestens 23 Opfer gefordert hat. «Eine mutige Vor-Ort-Recherche mit grosser Erzählkraft», schrieb dazu die Jury.

Die Auszeichnung als bester Beitrag in der Kategorie Local geht an Simon Gabioud vom Westschweizer Fernsehen RTS und der Tageszeitung «Le Temps» für einen 13-minütigen Film über die Saisonnier-Unterkünfte in den Wohntürme im Bois-des-Frères in Genf. Dessen Inszenierung und Stil strahle «grosse erzählerische Kraft» aus, urteilte die Jury.

Die Gewinner der Kategorien Text, Online, Audio und Local erhalten je 15'000 Franken. Jedem und jeder der Gewinnenden wurde zudem ein Diamant für seine herausragende Arbeit zugestellt. Die gesamte Preissumme beläuft sich auf 128'000 Franken.

Die verlagsunabhängige Fondation Reinhardt von Graffenried wurde mit dem Ziel gegründet, den schweizerischen Journalismus zu fördern.

Bereits Anfang April bekannt geworden waren die Gewinnerinnen und Gewinner der Swiss Press Photo Awards. Sieger der Kategorie «Aktualität» ist Denis Balibouse von Reuters mit einem Bild des Treffens zwischen US-Präsident Joe Biden und Russlands Präsident Wladimir Putin 2021 in Genf. In der Kategorie «Alltag» gewinnt Mark Henley (L’illustré, Swissinfo, Le Temps, Tribune de Genève) den ersten Preis für das Foto, das einen Künstler in Genf während des Lockdowns zeigt.

Gaëtan Bally (Keystone-SDA, für GEO) heisst der Sieger der Kategorie «Schweizer Geschichten» mit Bildern der Alp Flix im Kanton Graubünden, einem «Hotspot der Biodiversität». Joël Hunn (Das Magazin) gewinnt mit einer Aufnahme eines obdachlosen Mädchens in Bern den «Porträt»-Preis.

In der Kategorie «Sport» holt sich Gabriel Monnet (toponline.ch/news) den ersten Platz mit einer Aufnahme des Rollstuhlsportlers Marcel Hug im Regen an den Paralympics in Tokio. In der Kategorie «Ausland» heisst der Sieger Klaus Petrus (daslamm.ch). Er dokumentierte Fluchtrouten von Migrantinnen und Migranten durch den Balkan.

(SDA)

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