BLICK: Sie haben sich die letzten zehn Jahre intensiv mit der Landwirtschaft beschäftigt und fast jeden Winkel der Schweiz bereist. Wie geht es unseren Bauern?
Markus Bühler-Rasom: Den einen besser als den andern. Es gibt viele, die sich zusätzlich zu dem, was man als Bauer ohnehin machen muss, etwas einfallen lassen. Betreiben einen Hofladen, produzieren Spezialitäten oder organisieren Events wie jene Jurassier, die als Touristenattraktion in Cowboy-Manier Nostalgiezüge überfallen. Die sind entspannter als jene, die stur an dem festhalten, was sie schon immer getan haben.
Man sagt, Bauern jammern dauernd. Stimmts?
Nein. Den nörgelnden, stänkernden Bauer, auf den ich mich gefasst gemacht hatte, habe ich nicht angetroffen. Im Gegenteil! Ich bin vielen zufriedenen Menschen begegnet. Klar, die Bauern stehen unter Druck, alles verändert sich – aber so geht es allen in der Berufswelt. Grundsätzlich würde ich sagen: Man hat einen friedlichen Beruf, wenn man Bauer ist.
Warum?
Man ist oft draussen und arbeitet weitgehend selbstbestimmt. Das ist nicht schlecht verglichen mit einem, der jeden Morgen im Büro verschwindet, dort machen muss, was ihm gesagt wird, und um 17 Uhr wieder in der überfüllten S-Bahn nach Hause fährt.
In den zehn Jahren, in denen Sie der Schweizer Landwirtschaft auf der Spur waren, sind über 10'000 Bauernbetriebe veschwunden.
Pro Tag verschwinden drei, das ist die harte Realität. Aber es gibt immer noch etwa 56'000. Die Zahl der Betriebe geht zurück, aber die Grösse der bewirtschafteten Fläche bleibt gleich. Der eine geht ein, dafür bewirtschaftet der andere dann eine grössere Fläche. Das ist durchaus sinnvoll.
Der zentrale Gegensatz in der Landwirtschaftspolitik ist Heimatschutz gegen Liberalisierung. Sollte der Markt für Agrarprodukte geöffnet werden?
Schwierig zu beurteilen. Gerade in der heutigen, wieder unsichereren Zeit ist es schon gut, dass wir Leute im Land haben, die wissen, wie man Kartoffeln pflanzt und wie man Kühe melkt. Und dass die Schweiz ihren Selbstversorgungsgrad von 60 Prozent halten kann. Das ist nur möglich, wenn die Landwirtschaft staatlich gestützt wird.
Es geht ja nicht nur um Selbstversorgung für den Krisenfall. Die Konsumenten wollen Schweizer Produkte, am liebsten bio, öko, aus der Region – aber so billig wie möglich.
Diese Milchbüchlein-Rechnung geht natürlich nicht auf. Letztlich ist nicht der Bauer das Problem, auch nicht die Politik, die Emmi oder die Schlachthöfe – es ist der Konsument. Die Leute wollen möglichst viel für möglichst wenig Geld bekommen. Und gehen am Wochenende nach Konstanz einkaufen, weil dort der Käse billiger ist.
Wie soll man das ändern?
Es wäre schon viel getan, wenn man das Regionale und Saisonale nicht nur als Werbeslogan nimmt, sondern sich wirklich danach richtet. Wenn man also die Sachen dort kauft, wo sie herkommen. Und im Winter nicht unbedingt Tomaten essen muss und in Kauf nimmt, dass die Äpfel im Frühling ein bisschen schrumpliger sind.
Sie zeigen in Ihren Bildern nicht nur die heile Welt, sondern auch die Realität der industriellen Verarbeitung der Agrarprodukte ...
... weil die Gegensätze zusammengehören. Der einzelne Bauer bewirtschaftet seine Kühe, er bringt die Milch in die Milchzentrale oder in die Käserei. Und aus den vielen kleinen Betrieben kommen die Rohstoffe zur Verarbeitung in einen grossen Betrieb. Das macht Sinn. Die Gegensätze sind da, aber letztlich spielt alles zusammen.
Umstritten sind die Schlachthöfe. Wie haben Sie sie erlebt?
Für mich wars überhaupt kein Problem. Die Menschen, die dort arbeiten, geben sich Mühe. Und die Tierschutzbestimmungen in der Schweiz sind streng. Man versucht aufrichtig, den Tieren den Weg vom Hof in den Schlachthof so erträglich wie möglich zu machen. Ich esse also weiter Fleisch, und das mit Genuss.
Sie haben sehr viel von der Schweiz gesehen. Wo wars am schönsten?
Im hinteren Lauterbrunnental im Berner Oberland. Pure Energie! Man geht hoch, es ist nicht besonders weit – und landet in einer verwunschenen Gegend. Dort könnte man glatt «Herr der Ringe» filmen. Eine unberührte Welt, von der man sich nicht vorstellen kann, dass es sie heute gibt. Bis man dort ist.
Und wo wars am schlimmsten?
Im Stau am Gubrist.
Zürich – Markenzeichen von Markus Bühler-Rasom sind seine Langzeitprojekte. An den Reportagen – etwa über Kleinwüchsige, die Inuit in Grönland oder die Landwirtschaft (jetzt als Buch erschienen) – arbeitet er über Jahre hinweg. Der 45-Jährige lebt mit seiner Familie auf einem Bauernhof in Sulz-Rickenbach ZH.
Zürich – Markenzeichen von Markus Bühler-Rasom sind seine Langzeitprojekte. An den Reportagen – etwa über Kleinwüchsige, die Inuit in Grönland oder die Landwirtschaft (jetzt als Buch erschienen) – arbeitet er über Jahre hinweg. Der 45-Jährige lebt mit seiner Familie auf einem Bauernhof in Sulz-Rickenbach ZH.