Er sei «entrüstet» und verurteile die Tat nahe der Hauptstadt Tripolis auf Schärfste, teilte Guterres' Sprecher Stéphane Dujarric am Mittwoch in New York mit. Er betonte, dass die Uno den Konfliktparteien die exakten Koordinaten des Lagers übermittelt hätten. Die Schuldigen müssten ausfindig gemacht werden.
Eine Dringlichkeitssitzung des Uno-Sicherheitsrats ging unterdessen zunächst ohne eine gemeinsame Position zu Ende. Diplomatenkreisen zufolge verweigerten die USA die Zustimmung zu einer gemeinsamen Erklärung.
Die US-Diplomaten begründeten ihre Blockade zu dem von Grossbritannien entworfenen Beschluss demnach damit, dass sie für eine Zustimmung kein grünes Licht der Regierung von Präsident Donald Trump erhalten hätten.
Das britische Papier beinhaltete den Angaben zufolge auch einen Appell an die libyschen Konfliktparteien, ihre Kämpfe einzustellen. Zudem seien in dem Entwurf neue politische Gespräche in dem nordafrikanischen Krisenstaat angemahnt worden. Ein Schuldiger für den Angriff auf das Flüchtlingslager sei hingegen nicht genannt worden. Das zweistündige nicht-öffentliche Treffen des Sicherheitsrats war von Peru einberufen worden, das derzeit den Vorsitz in dem Gremium innehat.
Bei dem Blutbad nahe Tripolis waren in der Nacht zum Mittwoch mindestens 44 Menschen getötet und etwa 130 weitere verletzt worden. Es ist der folgenschwerste Angriff, seit der einflussreiche General Chalifa Haftar im April eine Offensive auf Tripolis angeordnet hatte. Die international anerkannte Regierung des Landes machte Haftar für die Tat verantwortlich.
Guterres forderte alle Konfliktparteien dazu auf, sich an geltendes humanitäres Recht zu halten. Zivilisten müssten mit allen Mitteln geschützt werden. Die Vereinten Nationen äusserten sich aber nicht dazu, wenn sie für verantwortlich hielten. Guterres Sprecher schloss auf Nachfrage nicht aus, dass es sich um ein Kriegsverbrechen handeln könnte. Auch das US-Aussenministerium verurteilte die Angriffe.
Im ölreichen Libyen herrscht acht Jahre nach dem Sturz des Langzeitmachthabers Muammar al-Gaddafi in weiten Teilen des mehrfach gespaltenen Landes Anarchie. Im blutigen Machtkampf zwischen der international anerkannten Regierung in Tripolis und General Haftar mischen sich zahlreiche Länder ein. Regionale Milizen, Banden und Extremisten wie die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) nutzten das aus. Der gescheiterte Staat in Nordafrika ist zudem auch wichtiges Transitland für Migranten, die nach Europa wollen.
Das mit Migranten überfüllte Lager Tadschura ist nach Angaben von Uno und Menschenrechtsorganisationen ein Internierungslager. Dort seien mehr als 600 Migranten unterschiedlicher Nationalitäten untergebracht, hiess es. In dem getroffenen Lagerteil lebten rund 150 Männer aus verschiedenen afrikanischen Ländern, sagte Mabruk Abdel-Hafis, der im Auftrag der Regierung in Tripolis mit Migranten arbeitet.
Haftars selbst ernannte Libysche Nationale Armee (LNA) wies die Vorwürfe, für das Massaker verantwortlich zu sein, zurück und beschuldigte ihrerseits Regierungstruppen. Seit April wurden bei den Kämpfen um die Hauptstadt Tripolis mehr als 700 Menschen getötet und 4400 verletzt. Rund 70'000 Menschen wurden durch die Kämpfe vertrieben.
Erst am Montag hatte die LNA schwere Angriffe auf Tripolis angekündigt. Haftar herrscht über weite Teile des Landes, die schwache international anerkannte Regierung von Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch - der auch von Deutschland unterstützt wird - dagegen besitzt kaum Einfluss über die Grenzen der Hauptstadt hinaus.
(SDA)