Es war 2.40 Uhr, in der Nacht auf Mittwoch, als Rettungssanitäter der Polizei in Essex (Grossbritannien) die grausige Entdeckung meldeten: 39 Leichen, eingepfercht und vermutlich erfroren im Laderaum eines Lastwagens. Die Polizei sprach kurz nach dem Fund von «einer Tragödie», die Fahnder stehen vor einer der grössten Mordermittlungen der britischen Geschichte.
Noch sind die Hintergründe nicht restlos geklärt. Klar ist unterdessen: Der nordirische LKW-Fahrer sitzt in U-Haft. Dem 25-Jährigen wird Totschlag in 39 Fällen zur Last gelegt. Drei weitere Verdächtige sitzen derzeit in Haft.
Der LKW kam über Belgien nach Grossbritannien. Bei den Toten handelt es sich offenbar mehrheitlich um Migranten aus Vietnam, sie dürften Opfer von Menschenschmugglern geworden sein.
Fall auch in der Schweiz möglich
Die Tragödie wirft ein Schlaglicht auf brutale Schleppernetzwerke, die weltweit agieren – auch in der Schweiz. Die Eidgenössische Zollverwaltung hält es darum auch nicht für unmöglich, dass sich ein solcher Fall auch hierzulande ereignen könnte. «Wir können nicht ausschliessen, dass Schlepper hierzulande eine ähnliche Vorgehensweise wählen», sagt David Marquis von der Zollverwaltung.
Auch die Schweiz ist Ziel- und Transitland von Menschenschmugglern. Seit Januar setzten die hiesigen Behörden 313 mutmassliche Schlepper fest, im ganzen Jahr 2018 waren es deren 398. Diese waren vor allem auf der Süd-Nord-Achse via Tessin tätig.
Auch Angehörige und Bekannte als Täter
Die meisten von ihnen schmuggelten die Migranten in Autos, in Einzelfällen kamen aber auch Lastwagen zum Einsatz. Bei den Tätern handelt es sich einerseits um Angehörige und Bekannte von Flüchtlingen, die in die Schweiz einreisen wollen. Andererseits waren aber auch professionelle Schlepperbanden am Werk.
In Grossbritannien laufen die Ermittlungen auf Hochtouren. Die BBC zeigte Bilder von SMS-Nachrichten, mit denen eines der Opfer nur Stunden vor dem Leichenfund mit seiner Familie in Kontakt getreten war. «Es tut mir sehr, sehr leid», schrieb die Frau ihren Eltern. «Ich sterbe, ich kann nicht atmen.»
Die Polizei forderte Familien von möglichen Opfern dazu auf, sich zu melden, und versicherte, sie würden nicht strafrechtlich verfolgt.