Lärmgeplagte greifen zum Messer
Bauer Dany ist seine Glocken los

Kühe. Glocken. Bergkulisse. So buhlt die Schweiz um Touristen aus dem Ausland. Doch nicht jeder Einheimische hat Freude an dieser Idylle. In Arosio TI ist ein wilder Kuhglocken-Zwist eskaliert. Sogar scharfe Messerklingen kommen dabei zum Einsatz.
Publiziert: 18.08.2015 um 16:54 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 02:55 Uhr
Bauer rettet Säuli mit Herzmassage und Beatmung
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:Bauer rettet Säuli mit Herzmassage und Beatmung
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Der Bauer ist sauer: Dany Devittori mit seinen Kindern Sophie und Mark und den Kühen Noisette und Chocolat.
Foto: Yvonne Leonardi
Von Myrte Müller

«Ein Nachbar beklagte sich über die Glocken meiner drei Kühe. Seine Familie könne nachts nicht schlafen, und ich solle die Glocken abhängen», erzählt Dany Devittori (39). Der Bauer weigert sich. Denn: «Wenn eine Kuh ausreisst, muss ich sie hören können, um sie wieder einzufangen.» Im Juli taucht eine anonyme Beschwerde im Internetforum der Gemeinde auf. Darin heisst es: «Der ohrenbetäubende Krach der Kuhglocken lässt keinen Schlaf zu, weder tags noch nachts. Er verstösst gegen die öffentliche Ruhe.» Die Gemeindeverwaltung antwortet sehr entspannt: «Dann müsste man auch das Vogelzwitschern und Rauschen der Bäche verbieten.»

Jetzt eskaliert der Streit. «Bei zwei meiner Kühe wurden nagelneue Glocken vom Nacken geschnitten und geklaut. Die Glocken kosten ein paar Hundert Franken das Stück. Ein Unding!» Der Tessiner Bauer ist sauer: «Seit Generationen halten wir Kühe im Ort. Wer hierherzieht, weiss, was ihn erwartet.» Er erinnert sich: «Vor ein paar Jahren standen an unserer Weide zwei Häuser. Mittlerweile sind es elf.»

Auch Landwirt Markus Misteli (49) aus Etziken SO hat das Problem am Hals. Ein Pöstler im Schichtdienst klagte wegen der Kuhglocken der 27 Rinder des Nachbarn. Die Kontrahenten landeten vor dem Friedensrichter. Mistelis Kühe weiden jetzt nachts ohne Gebimmel. Das reicht dem sensiblen Pöstler aber noch nicht. Er will ein absolutes Glockenverbot und droht, weiter vor Gericht zu ziehen.

Misstöne auch im Zürcher Oberland: Bauer Manuel Zwischenbrugger (37) aus Wald ZH hält 16 Rinder nahe eines kleinen Wohngebiets. Eine Familie holte im vergangenen November die Polizei. Grund: Lärmbelästigung durch Kuhglocken. Die Gemeinde verfügt: Manuel Zwischenbrugger muss nachts die Glocken abnehmen. Der Landwirt bockt: «Solange das Gerichtsurteil nicht rechtskräftig ist, bleiben die Kuhglocken dran! Ich kämpfe bis vors Bundesgericht.»

Laut Forschern der ETH Zürich würden sich manche Kühe sogar über ein Leben ohne Glocke freuen. Einer Studie zufolge erreichten manche Glocken 113 Dezibel. Das schädige das Gehör der Tiere und stresse sie. Ins gleiche Horn stösst auch Veganerin Nancy Holten (41) aus Gipf-Oberfrick AG. Die Holländerin bezeichnet die Glocken als Tierquälerei: «Sie sind in etwa so laut, wie wenn wir uns einen Presslufthammer direkt ans Ohr halten würden.» Über 4000 Anhänger zählt ihre Facebook-Seite «Kuhglocken out». Dagegen hält die Facebook-Seite «Pro Kuhglocken» mit über 20 000 Fans. Was beweist: Noch wird die Tradition hochgehalten.

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