Der Mord an Walter Lübcke (†65), dem Präsidenten des deutschen Regierungsbezirks Kassel, schockiert ganz Deutschland. Vor drei Wochen wurde der CDU-Politiker tot auf seiner Terrasse aufgefunden – hingerichtet mit einem Kopfschuss.
Dringend tatverdächtig: Neonazi Stephan E.* (45), ein notorischer Gewalttäter. Er sitzt in U-Haft und schweigt.
Jetzt zeigen SonntagsBlick-Recherchen: Wenige Wochen vor dem Mord feierte E. in Ostdeutschland offenbar zusammen mit Rechtsextremen aus der Schweiz.
Geheimes Konzert in einer Waldhütte
Es war an einem Geheimtreffen am 23. März. In einer Waldhütte im sächsischen Mücka spielten mehrere Szenebands vor knapp 150 Personen. Nur der harte Kern der militanten Neonazi-Szene wusste von dem Anlass.
Auf Fotos, die die ARD zusammen mit einem Gutachter ausgewertet und am Freitag publik gemacht hat, ist gemäss dem Fernsehsender der Tatverdächtige E. zu sehen: bulliger Nacken, weisse Kappe.
Auf weiteren Bildern dieses Treffens taucht auch Peter S.* (26) aus Schänis SG auf. Laut Insidern waren noch mehr Rechtsextreme aus der Schweiz anwesend. Der gelernte Maurer reiste im Auto mit St. Galler Nummernschild an den Veranstaltungsort. Die Antifa Bern erkannte den Ostschweizer und veröffentlichte ein Bild von ihm auf Twitter.
Peter S. pflegt seit Jahren enge Kontakte nach Deutschland. Im Sommer 2015 sorgte er in der Schweiz für Schlagzeilen, weil er in Zürich-Wiedikon einen orthodoxen Juden bedrohte. Er hatte dem Mann den Hitlergruss gezeigt und «Heil Hitler!» geschrien. Die Zürcher Staatsanwaltschaft verurteilte S. wegen Rassendiskriminierung.
Das konspirative Treffen in Mücka wirft ein neues Licht auf den Mordfall Lübcke. Noch vor wenigen Tagen hiess es aus Ermittlerkreisen, der mutmassliche Mörder Stephan E. sei seit zehn Jahren nicht mehr als Rechtsextremist aufgefallen. Diese Annahme ist nun widerlegt. Mehr noch: Vieles deutet darauf hin, dass der Tatverdächtige in ein braunes Terrornetzwerk eingebunden war.
Die Spuren führen zu Combat 18 («Kampftruppe Adolf Hitler»), dem bewaffneten Arm des in Deutschland verbotenen Netzwerks Blood & Honour. In dessen Umfeld bewegt sich auch der St. Galler Rechtsextremist Peter S.
Ermittler: «Rechts extreme Bande am Werk»
Die Fahnder der deutschen Generalbundesanwaltschaft sprechen inzwischen davon, eine «rechtsextreme Bande» sei «am Werk». Das wirft die Frage auf: Gehört auch Peter S. aus Schänis zum erweiterten Unterstützerkreis?
Das Bundesamt für Polizei (Fedpol) äussert sich nicht zu allfälligen Verbindungen in die Schweiz. Anders als bei islamistischen Anschlägen steht der Bund beim Rechtsterror-Fall Lübcke nicht in Kontakt mit den zuständigen Partnerbehörden in Deutschland. Die Anzeichen verdichten sich, dass die Ermordung des deutschen Politikers eine Tat jener terroristischen Strukturen sein könnte, die bereits den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) ermöglicht hatten. Das rechtsextreme Terrortrio um Beate Zschäpe ermordete in Deutschland zwischen 2000 und 2007 neun Migranten und eine Polizistin. Auch Lübckes Name stand schon auf der Todesliste des NSU.
In den Fokus einer breiten Öffentlichkeit wurde Lübcke jedoch erst im Jahr 2015 katapultiert. Damals sagte er an einer Einwohnerversammlung zu Flüchtlingsfeinden, sie könnten Deutschland jederzeit verlassen. Seither wurde der CDU-Mann massiv bedroht.
Am Samstag warnte Deutschlands Innenminister Horst Seehofer (CDU): «Diese Entwicklung ist brandgefährlich.» In der Tat: In den letzten Tagen erhielten mehrere deutsche Politiker neue Morddrohungen. Absender: Combat 18.
* Namen der Redaktion bekannt