Ein Jahr nach der Eröffnung wurde der ehemalige Chef der Deutschen Bank als «Götti» des neuen Kulturhauses angefragt. «Inzwischen konnte ich mich bei verschiedenen Anlässen vom grossen Potenzial dieses kleinen, aber sehr feinen Kultur- und Kongresshauses überzeugen», wird Joe Ackermann in einer aktuellen Mitteilung der Gemeinde zitiert.
Den Betrieb an eine Stiftung zu übergeben, sei das einzig Richtige, erklärt der ehemalige Manager, der mit seinen beiden Brüdern in Mels aufwuchs. Damit könne wirtschaftlich Spielraum geschaffen werden, um die Stärken des Verrucano besser zu nutzen. Der 74-Jährige will mit der Übernahme des ehrenamtlichen Stiftungspräsidiums seiner Heimatgemeinde etwas zurückgeben.
Ob das Verrucano an die Stiftung vermietet werden kann, die dann für den Betrieb zuständig ist, liegt in den Händen der Melser Stimmbürgerschaft. Diese wird im kommenden Frühling an der Bürgerversammlung über eine Leistungsvereinbarung befinden.
Am Anfang des Projekts stand der Wunsch nach einem Ort für Begegnungen, Kultur und gesellschaftlichen Austausch. Es sollte ein Bau sein, der auch dem stark ausgeprägten Vereinsleben in Mels gerecht wird.
Anstelle eines Flickwerks von Massnahmen entschied sich die Gemeinde für eine Gesamtlösung: Die alten Gebäude wurden abgerissen und ein neues Rathaus mit grossem Vorplatz gebaut. Herzstück ist ein neues Kultur- und Kongresshaus, das den Namen des Melser Gesteins Verrucano trägt.
Nach knapp drei Jahren Bauzeit wurde das Verrucano im Oktober 2020 eröffnet. Die Akustik im trapezförmigen Löwensaal soll besonders sein und Musikliebhaber anlocken. «Das Verrucano ist hinsichtlich seines architektonischen Ausdrucks zwischen einer hölzernen Festhütte und einem eleganten Festsaal einzuordnen», erklärte Architekt Beat Loosli in der «SonntagsZeitung».
Das erste Jahr war schwierig. Ein Gastspiel des Sinfonieorchesters St. Gallen Anfang September 2021 war das erste grosse Konzert im neuen Veranstaltungslokal, nachdem vorher coronabedingt nur kleinere Sachen stattfinden konnten.
Fasnachtssong-Party, Turnunterhaltung, Comedy oder eine Operette: Das Programm im Verrucano ist zum Jahresende ziemlich bunt gemischt. «Die Auslastung ist inzwischen relativ gut», sagt Geschäftsleiterin Eva Maron auf Anfrage von Keystone-SDA. Trotzdem werde das Verrucano der Gemeinde ein Defizit von rund 450'000 Franken bescheren. Die lokalen Vereine seien subventioniert und zahlten nur 35 Prozent der Kosten.
Besonders bitter war die Beerdigung des Projekts «Klassik Sterne Sarganserland». «Das hochstehende Klassikprogramm wäre in unserem Saal hervorragend zur Geltung gekommen,» sagt Eva Maron. Den Veranstaltern ist es nicht gelungen, für die Saison 2022-2023 genügend Publikum zu gewinnen - trotz Förderungen durch die öffentliche Hand (Gemeinde, Swisslos St. Gallen, Südkultur) und einiger Stiftungen.
Neben dem Löwensaal müssen noch drei Säle ausgelastet werden - mit Seminaren, Kongressen, Banketten oder Hochzeiten. Sie habe viele Rollen auszufüllen, sagt die ehemalige Schauspielerin. Sie ist nicht nur verantwortlich für die Koordination, die Verwaltung und den Betrieb, sie arbeitet oftmals auch im Service mit, hilft beim Aufstellen oder beim Putzen.
Gerade mal zwei Angestellte hat das Verrucano. Neben der Geschäftsleiterin ist Leo Lutz verantwortlich für die Eventbetreuung und den Hausdienst. Sie habe die vergangenen zwei Jahre für das Verrucano gelebt. Eine Entlastung und eine gute Infrastruktur seien überlebenswichtig für das Haus, so Maron: «Der Marathon geht an die Substanz. Wir brauchen eine Perspektive.»
Das sieht auch der Gemeinderat so: Aufgrund der begrenzten personellen Ressourcen könnten die Spielräume, die das Haus eigentlich bieten würden, nicht voll genutzt werden, was sich letztlich auch finanziell negativ auf den Gemeindehaushalt auswirke.
Im November 2021 lehnte die Bürgerversammlung eine 50-Prozent-Stelle als Stellvertretung der Geschäftsleitung ab. Anstelle des Verwaltungsrats übernahm der Gemeinderat Mels die strategische Leitung wieder selber. Das Verrucano ist weiterhin rechtlich und wirtschaftlich von der Gemeinde abhängig. «Damit bleibt ein Klumpenrisiko bestehen», betont die Kulturmanagerin.
(SDA)