In erster Instanz war Karadzic noch zu 40 Jahren Haft verurteilt worden. Dieses Urteil wurde nun verschärft, es ist endgültig.
Die Verbrechen seien so «extrem schwerwiegend", dass eine 40-jährige Haftstrafe «unangemessen und ungerecht» sei, sagte der Vorsitzende Richter. Der 73-jährige Karadzic, gekleidet in einen dunklen Anzug, reagierte äusserlich nicht, sein Blick war starr auf die Richter gerichtet. Auf der Tribüne brach lauter Applaus aus.
Die Richter verurteilten den früheren Psychiater für Völkermord, Kriegsverbrechen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Balkan-Krieges in den 1990er Jahren. Sie sahen seine Schuld an tausendfachem Mord als erwiesen an.
Zudem sei er verantwortlich für Verfolgung und Zwangsvertreibung bosnischer Muslime und für die 44-monatige Belagerung der bosnischen Stadt Sarajevo. Und schliesslich wurde Karadzic für den Völkermord von Srebrenica schuldig gesprochen - das schlimmste Massaker auf europäischem Boden nach dem Zweiten Weltkrieg.
Im Sommer 1995 hatten serbische Einheiten unter General Ratko Mladic die damalige Uno-Schutzzone überrannt. Die niederländischen Blauhelme hatten sich kampflos ergeben. Serben hatten anschliessend rund 8000 muslimische Männer und Knaben ermordet. Ex-General Mladic war 2017 in erster Instanz zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Er legte Berufung ein.
Karadzic war erst 2008 nach 13 Jahren auf der Flucht in Serbien als alternativer Heiler entdeckt und an das Gericht ausgeliefert worden.
Angehörige von Opfern jubelten im Gerichtssaal, als die Richter das Urteil verkündet hatten. «Endlich Gerechtigkeit", sagte Munira Subasic von der Organisation «Mütter von Srebrenica". Eine lebenslange Haftstrafe sei die einzig gerechte Strafe für Karadzic. «Die Wahrheit und die Gerechtigkeit haben gesiegt."
Karadzic hatte während des Prozesses immer wieder seine Unschuld beteuert. Die Vorwürfe seien «haltlos", er sei kein Kriegstreiber, sondern im Gegenteil der «Friedenstifter des Balkans» gewesen. Er hatte Freispruch gefordert.
Auch die Anklage hatte nach dem Urteil der ersten Instanz Berufung eingelegt. Sie hatte eine lebenslange Strafe gefordert und wollte, dass auch die Verfolgung von Muslimen in bosnischen Kommunen als Völkermord eingestuft wird. Das aber lehnten die Richter ab.
Das Berufungsverfahren war vom sogenannten Residual-Mechanismus für Uno-Tribunale verhandelt worden, der Nachfolge-Organisation der Kriegsverbrechertribunale für Ex-Jugoslawien und Ruanda.