Krankenkasse zahlt Parkinson-Patient (69) Zahnbehandlung nicht
«Ich fühle mich wie ein Mensch zweiter Klasse»

Heinz Nydegger (69) ist an Parkinson erkrankt. Die Krankheit setzt auch seinen Zähnen zu: Der gestörte Speichelfluss greift sie an. Doch die Krankenkasse zahlt nicht.
Publiziert: 28.06.2020 um 23:25 Uhr
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Parkinson-Patient Heinz Nydegger (69) zeigt den Briefwechsel mit seiner Krankenkasse. Auch nach der Einreichung von Gutachten und Röntgenbildern lehnt Atupri eine Kostenübernahme ab.
Foto: Beat Michel
Beat Michel

Der ehemalige Basler Squash-Meister Heinz Nydegger (69) sitzt am Esstisch und blättert in den Akten. Der Streit mit der Krankenkasse Atupri füllt mittlerweile einen ganzen Ordner. Trotz Gutachten zu seinen Gunsten zahlt die Versicherung die Zahnbehandlung nicht. Es geht für den Rentner um viel Geld.

Der Kaufmann ist vor zwölf Jahren an Parkinson erkrankt, verliert immer mehr die Kontrolle über die rechte Hand. Er leidet an einem rechtsbetonten Tremor, einem unkontrollierten Zittern. Neben dem Zittern hat Parkinson für Heinz Nydegger eine weitere sehr unangenehme Auswirkung: Er hat einen stark reduzierten Speichelfluss im Mund.

Kann viele Speisen nicht mehr essen

Dadurch werden die Plaque-Säuren der Karies-Bakterien nicht mehr neutralisiert. Das führt zu einer krassen Parodontose. Der ganze Halteapparat der oberen Zähne ist zerstört. Heinz Nydegger kann nicht mehr normal kauen.

«Ich kann viele Speisen nicht mehr essen. Wenn ich nicht aufpasse, brechen die Zähne einfach ab», sagt er. Reis, Nüsse oder Früchte gehen schon jetzt nicht mehr. «Es ist auch ungesund, wenn ich das Essen nicht richtig zerkleinern kann», sagt er.

Alle Zähne müssen raus, ein künstliches Gebiss rein. Kosten: rund 5000 Franken. Doch Atupri, die Krankenkasse von Heinz Nydegger, weigert sich, die Behandlungskosten für die Zähne zu übernehmen. Karies sei auch bei Parkinson eine vermeidbare Erkrankung.

Seine Frau kann ihm bei der Pflege nicht helfen

Falls der Erkrankte selber nicht mehr fähig sei, adäquat für die Mundhygiene zu sorgen, könnten dies die Ehepartnerin oder andere Pflegende übernehmen. Bei einer krankheitsbedingten Gefährdung des Kausystems sei ein höherer Mehraufwand zu betreiben wie etwa häufigere Dentalhygiene-Sitzungen.

Heinz Nydegger aktivierte seine Rechtsschutzversicherung. Er sagt: «Die kaputten Zähne sind eindeutig eine Folge der Parkinson-Erkrankung.» Seit er Mühe hatte mit der rechten Hand, kaufte er sich zusätzliche Reinigungsgeräte für die Zähne und ging regelmässig zum Zahnarzt und zur Dentalhygiene. Seine Frau kann ihm nicht helfen, sie ist nach einem Hirnschlag selber motorisch eingeschränkt.

Rekurs mit Gutachten und Röntgenbildern

Die Rechtsschutzversicherung legte gegen den Entscheid der Krankenkasse Rekurs ein, mit zusätzlichen Röntgenaufnahmen sowie Gutachten von Zahnarzt und Hausarzt. Doch Atupri bleibt hart und weicht von ihrem Standpunkt nicht ab.

Die Parteien müssten den Streit vor Gericht ausfechten. Doch die Rechtsschutzversicherung gibt auf. Sie schreibt Nydegger: Aufgrund fehlender Aussicht verzichte sie, eine Beschwerde aufzugleisen. Ihm bleibt nichts anderes übrig, als die teure Zahnbehandlung selber zu finanzieren. Die ist mittlerweile angelaufen, die Kosten muss er tragen. Wie, weiss er nicht.

«Eine vermeidbare Erkrankung»

Die Versicherung ihrerseits betont, dass der Fall intensiv begutachtet wurde. Jonas Städeli, Leiter Leistungen bei der Atupri-Versicherung sagt: «Die Situation unseres Versicherten wurde von den Vertrauenszahnärzten mehrfach beurteilt.» Ein zusätzliches Zweitgutachten habe ergeben, dass kein Zusammenhang zwischen der Erkrankung und der Zahnbehandlung vorliege.

Der Rentner Heinz Nydegger ist masslos enttäuscht. «Ich fühle mich wie ein Mensch zweiter Klasse. Die Krankenkasse ist gar nicht auf unsere Argumente und Gutachten eingegangen.»

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