Ministerpräsident Kurti gestürzt
Corona-Streit bringt Kosovos Regierung zu Fall

Gerade einmal sechs Wochen war der kosovarische Premier Albin Kurti im Amt. Nun wurde er gestürzt – mitten in der Corona-Krise.
Publiziert: 26.03.2020 um 00:12 Uhr
|
Aktualisiert: 26.03.2020 um 17:31 Uhr
1/8
Mit Pfannenlärm protestierten Kosovarinnen und Kosovaren in den vergangenen Tagen gegen das Verhalten der politischen Führung im Land.
Foto: AFP
Lea Hartmann

Gäbe es wegen der Corona-Krise keine landesweite Ausgangssperre, wären im Kosovo gestern Nacht wohl Zehntausende Menschen auf die Strasse gegangen. Denn die Wut vieler Kosovarinnen und Kosovaren, gerade der jüngeren Generation, ist riesig.

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.

Nach gerade einmal sechs Wochen ist die Regierung unter Premierminister Albin Kurti (45) bereits wieder Geschichte. Gestern am späten Abend hat das kosovarische Parlament mit 82 zu 32 Stimmen einem Misstrauensantrag zugestimmt. Eingebracht hatte ihn die Demokratische Liga des Kosovo (LDK), der Koalitionspartner der Partei Vetëvendosje (Selbstbestimmung) von Premier Kurti.

Streit um Notstand

Zum Sturz der Regierung geführt hat ein Streit über das Vorgehen im Kampf gegen das Coronavirus. Präsident Hashim Thaci (51) und Teile der LDK wollten den Notstand ausrufen. Kurti nicht. Als der Streit schliesslich zur Entlassung von Innenminister Agim Veliu (59) führte, eskalierte die Situation vollends. Laut der Verfassung hat die Partei Vetëvendosje von Kurti nun gut zwei Wochen Zeit, einen neuen Ministerpräsidenten zu stellen.

Im Streit zwischen Kurti und seinen Anhängern, der als Hoffnungsträger vieler junger Kosovaren galt, und der alten Garde um Hashim Thaci und den Kern der LDK, geht es aber eigentlich um viel mehr. Thaci wird vorgeworfen, von Anfang an nur eins im Sinn gehabt zu haben: die Entmachtung Kurtis.

Auch die USA spielt im Konflikt eine bedeutende Rolle. Vergangenes Jahr hat US-Präsident Donald Trump (73) Richard Grenell (53) zum Sondergesandten ernannt. Er soll eine Einigung zwischen Serbien und Kosovo erreichen. Die Rede ist auch von einem umstrittenen Gebietstausch. Thaci ist dafür – Kurti allerdings sträubte sich vehement dagegen.

Schweizer Botschaft sprach Klartext

Schweizer Politiker waren angesichts des Konflikts alarmiert. Sie fürchteten um die Demokratie und Rechtsstaatlichkeit im Land, sollte Kurti gestürzt werden. Auch die Schweizer Botschaft im Kosovo hatte versucht, die verfeindeten Parteien noch zur Vernunft zu bringen. «Wir verurteilen alle Versuche, die Coronavirus-Pandemie zu nutzen, um die legitime Regierung zu stürzen», hiess es in einer offiziellen Stellungnahme, welche die Botschaft am Dienstag veröffentlichte. Doch der Appell verhallte.

Auf Facebook haben sich bereits über 200'000 Personen zusammengetan, um gegen den Sturz der Regierung zu protestieren. Ein Demonstrant, der gestern trotz der Ausgangssperre vor das Parlamentsgebäude stand, brachte auf den Punkt, was derzeit viele Kosovaren denken. Auf ein Transparent hatte er geschrieben: «Die gefährlichste Pandemie für den Kosovo ist die Politik. Schande über Euch!»

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?