Südafrika ist das am meisten entwickelte Land des Kontinents. Doch Korruption, Armut und eine stagnierende Wirtschaft bremsen den Fortschritt. In dem Land hat sich wegen der anhaltenden Ungleichheit vor den Wahlen Wut aufgestaut.
Der Jubel über die neu gewonnene Freiheit und Demokratie ist in Südafrika 25 Jahre nach der Abschaffung des rassistischen Apartheid-Regimes der Enttäuschung gewichen.
Von der Eurphorie ist nicht viel geblieben
Vor den Wahlen am Mittwoch (08. Mai) stöhnen die Menschen über Korruption, Rekordarbeitslosigkeit und anhaltende Armut. Vieles hat sich seit der Wende zur Demokratie für die schwarze Bevölkerungsmehrheit verbessert, doch die von manchen Politikern versprochenen blühenden Landschaften und üppigen staatlichen Wohltaten sind ausgeblieben.
«Ich habe 1994 zum ersten Mal gewählt und war sehr glücklich und aufgeregt», erinnert sich der 64-jährige James Mavuza. Damals standen die Menschen vor den Wahllokalen stundenlang Schlange. Heute ist Mavuza arbeitslos und lebt in Johannesburgs Armenviertel Alexandra, wo sich entlang verdreckter Strassen Wellblechhütten aneinanderdrängen.
Zuhause hat Mavuza weder fliessend Wasser noch eine Toilette. Er steht seit 20 Jahren auf der Warteliste für eine Sozialwohnung. «Ich weiss nicht, wann mir die Regierung ein Haus bauen wird», seufzt er.
Wer ist Favorit?
Die rund 27 Millionen Wähler in Südafrika werden am 8. Mai über ein neues Parlament und neue Provinzversammlungen entscheiden. Das neue Parlament wird dann auch den Staatschef wählen. Beobachter rechnen bei der Wahl mit einem Sieg der Regierungspartei ANC (Afrikanischer Nationalkongress), der mit Parteichef Ramaphosa ins Rennen geht.
Die einst vom Anti-Apartheid-Kämpfer Nelson Mandela geführte Regierungspartei Afrikanischer Nationalkongress (ANC) geht als klarer Favorit ins Rennen. Für die meisten schwarzen Südafrikaner käme es einem Verrat gleich, nicht für die Partei der Befreier zu stimmen.
Umfragen zufolge wird der von Präsident Cyril Ramaphosa geführte ANC wohl weniger Stimmen als bei der letzten Wahl bekommen, aber immer noch eine absolute Mehrheit. 2014 erreichte der ANC 62 Prozent.
Die führende Oppositionspartei, die Demokratische Allianz (DA), kann mit rund 20 Prozent der Stimmen rechnen. Die Partei hat historisch grossen Rückhalt bei der weissen Minderheit, die rund acht Prozent der 56 Millionen Südafrikaner ausmacht.
Viele unzufriedene Schwarze wenden sich hingegen der linksgerichteten Partei der Wirtschaftlichen Freiheitskämpfer (EFF) zu. Beobachter erwarten, dass die Populisten ihren Stimmanteil von zuletzt gut 6 Prozent ausweiten werden.
Wählen macht keinen Unterschied
Südafrika blickt auf ein verlorenes Jahrzehnt zurück. Unter Präsident Jacob Zuma (2009-2018) florierte die Korruption, die Staatsschulden wuchsen und es gab häufig Stromausfälle.
Die Wirtschaft aber stagnierte und die Arbeitslosigkeit erreichte neue Rekorde. Als Zuma Anfang 2018 vom ANC zum Rücktritt gedrängt wurde, übernahm Ramaphosa das Ruder. Er verspricht einen Neuanfang.
Doch in Alexandra haben viele die Hoffnung aufgegeben. «Wir gehen wählen, aber alles was wir bekommen, sind Versprechen», klagt Maulein Dikobo.
Weil die 27-Jährige kurz vor dem Ende der Apartheid zur Welt kam, gehört sie zur Generation, die in Südafrika als «in Freiheit geboren»bezeichnet wird. Unterdrückung und Freiheitskampf sind für sie nur noch Erzählungen. «Wählen oder Nichtwählen macht keinen Unterschied», sagt die seit Jahren arbeitslose Dikobi. Während sich im Armenviertel nichts ändere, lebten Politiker «in Luxus», sagt sie.
Das trifft auch auf Ramaphosa zu, der in seinen Jahren in der Privatwirtschaft ein Vermögen von umgerechnet mehreren hundert Millionen Franken angehäuft haben soll.
Politiker sagen Korruption den Kampf an
Er verspricht Reformen und einen harten Kampf gegen Korruption, doch sein Selbstbild als Mann des Neuanfangs hat einen Haken: Ramaphosa war von 2014 bis 2018 unter Zuma Vizepräsident - doch er will nichts von dessen Machenschaften gewusst haben.
«Die Menschen in Südafrika sind immer noch wütend über das Ausmass der Korruption», kritisiert Oppositionsführer Mmusi Maimane, der Chef der Demokratischen Allianz.
Die Populisten vom EFF wiederum wollen den ANC links überholen: sie fordern Verstaatlichungen wichtiger Unternehmen und wollen das Land der zumeist weissen Farmer ohne Entschädigung enteignen. Letztere Forderung hat sich als so populär erwiesen, dass der ANC sie übernahm - wohl aus Angst vor Stimmverlusten bei der Wahl.
Ramaphosa versprach jedoch, Südafrika werde bei Enteignungen behutsam vorgehen. Womöglich wird er es nach der Wahl auch wieder vergessen - doch Investoren zeigten sich wegen des Angriffs auf Privatbesitz verstört.
Südafrika ist die am meisten entwickelte Wirtschaft des Kontinents. Doch rund 30 Millionen Menschen - zumeist schwarze Südafrikaner - leben der Regierung zufolge in Armut. Die Arbeitslosenquote liegt offiziell bei über 27 Prozent. Die kleine weisse Minderheit ist nach wie vor wesentlich besser gestellt.
Ramaphosa verspricht Verbesserung
«Südafrika ist eines der ungleichsten Länder in der Welt und die Ungleichheit hat seit dem Ende der Apartheid 1994 weiter zugenommen», kommentiert die Weltbank.
Trotz aller Kritik steht ausser Frage, dass ANC-Regierungen das Los der Bevölkerungsmehrheit seit 1994 deutlich verbessert haben. Es gibt im Land eine schwarze Mittelklasse, es gibt genügend Schulen, eine kostenfreie Gesundheitsversorgung und mehr als 17 Millionen Menschen bekommen vom Staat Unterstützung wie Kindergeld oder Sozialhilfe.
«Zusammen haben wir Häuser für Millionen Südafrikaner gebaut und haben für Wasserversorgung, Sanitäreinrichtungen und Elektrizität für arme Haushalte im ganzen Land gesorgt», sagte Präsident Ramaphosa kurz vor der Wahl.
Doch er räumte auch ein, dass noch viel Arbeit zu tun ist: «Trotz dieser bemerkenswerten Errungenschaften leben zu viele unserer Menschen noch in Armut, zu viele sind arbeitslos, zu viele sind obdachlos, zu vielen fehlt es am Allernötigsten.»
Präsident Cyril Ramaphosa versprach bei einer Kundgebung der regierenden ANC am Sonntag, Regierungsmitglieder zu bestrafen, die sich der Bestechung schuldig gemacht hätten. «Wir geben zu, dass wir Fehler gemacht haben», rief er Unterstützern in einem Stadium in Johannesburg zu.
Opposition ruft zu Gewalt gegen korrupte Politiker auf
Kein korrupter Politiker werde ein Amt in seiner Partei bekleiden dürfen. Korruptionsvorwürfe gegen die Regierung hatten Ramaphosas Vorgänger Jacob Zuma im vergangenen Jahr zum Rücktritt gezwungen.
In einem Stadion in Soweto ging der Führer der südafrikanischen Oppositionspartei Economic Freedom Fighters, Julius Malema, noch weiter. «Das Parlament ist voller Gauner und Krimineller. Geht und schiesst wild auf sie, wählt nicht aus», sagte Malema an die Polizei gewandt. (SDA)