An dem Treffen am späten Morgen in den Räumen des Pontifex nahmen der Initiator der Wiedergutmachungsinitiative, Guido Fluri, sowie eine Frau und ein Mann teil, die im kirchlichen Umfeld sexuellen Missbrauch erlebt hatten. Die beiden Betroffenen berichteten Franziskus von ihren Erlebnissen, wie die Guido Fluri Stiftung mitteilte.
Der heute 63-jährige Mann war laut eigenen Angaben als Jugendlicher in einer Erziehungsanstalt in Bad Knutwil LU von Mönchen mehrfach geschlagen und sexuell missbraucht worden. Die 74-jährige Frau erlebte in einem von katholischen Nonnen geführten Kinderheim in Malters LU ebenfalls Gewalt und sexuellen Missbrauch.
Der Papst bat die Opfer im Namen der Kirche um Verzeihung und um Vergebung. Ein Mensch, der Kinder missbrauche - sei es ein Priester, ein Ordensmann oder eine Ordensfrau - werde zu einem «Monster", habe der Papst wörtlich gesagt, heisst es in der Mitteilung.
Nach dem Treffen zeigte sich Opfervertreter Fluri zufrieden. Die Begegnung des Papstes mit den Schweizer Missbrauchsopfern sei ein wichtiges Zeichen an die Betroffenen, dass die Kirche das grosse Leid, das den Opfern im kirchlichen Umfeld angetan worden sei, umfassend anerkenne. Der Papst habe sich ohne Wenn und Aber für die Null-Toleranz und für die strafrechtliche Verfolgung der Täter ausgesprochen. Diesen Worten müssten nun Taten folgen.
Das Treffen zwischen Papst Franziskus und der Delegation aus der Schweiz fand eine Woche nach dem Anti-Missbrauchsgipfel im Vatikan statt. Bei diesem hatte Papst Franziskus erneut ein hartes Durchgreifen der katholischen Kirche gegen sexuellen Missbrauch und ein Ende der Vertuschung versprochen - jedoch ohne konkrete Konsequenzen aus der jahrzehntelangen Krise zu benennen.
Es war das erste Mal, dass eine Gruppe von Schweizer Missbrauchsopfern dem Papst von ihrem Leid berichten konnte. Beim Treffen war auch Kardinal Kurt Koch anwesend. Der Vatikan lud Fluri und eine Gruppe von Missbrauchsopfern bereits 2015 zu einer Generalaudienz ein.
Ende 2014 reichte der Solothurner Unternehmer Guido Fluri die Wiedergutmachungsinitiative ein, die 500 Millionen Franken für die Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen forderte. Knapp zwei Jahre später hiessen die Räte einen indirekten Gegenvorschlag gut, der für die Ausrichtung der Solidaritätsbeiträge 300 Millionen Franken zur Verfügung stellte. Gegen 9000 Betroffene haben ein Gesuch gestellt.
Fürsorgerische Zwangsmassnahmen waren in der Schweiz bis 1981 angeordnet worden. Zehntausende von Kindern und Jugendlichen wurden an Bauernhöfe verdingt oder in Heimen platziert, viele wurden misshandelt oder missbraucht.