Allerdings verloren seine Liberalen ihre absolute Mehrheit im Parlament. Trudeau muss nun eine Minderheitsregierung bilden und ist auf die Unterstützung kleinerer Parteien angewiesen.
Die Liberalen kommen dem offiziellen Wahlergebnis zufolge in der neuen Legislaturperiode auf 157 der 338 Abgeordnetenmandate. Die Konservativen erhalten 121 Sitze. Die absolute Mehrheit liegt bei 170 Stimmen. Bei der Parlamentswahl 2015 hatten Trudeaus Liberale 184 Mandate gewonnen, zuletzt verfügten sie noch über 177 Abgeordnete.
Der Premier zeigte sich angesichts des Wahlergebnisses vor allem in seiner Klimapolitik bestärkt. Von der West- bis zur Ostküste hätten sich die Kanadier «gegen eine Spaltung und Negativität» entschieden, sagte Trudeau in der Nacht zum Dienstag vor Anhängern in Montréal. Vielmehr hätten die Wähler «für ein progressives Programm und starkes Handeln gegen den Klimawandel» gestimmt.
Umfragen hatten ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Trudeaus Liberalen und den Konservativen von Herausforderer Andrew Scheer vorausgesagt. Scheer war unter anderem für Steuersenkungen, mehr Haushaltsdisziplin und eine Abschaffung der von Trudeau eingeführten CO2-Steuer eingetreten.
Der Chef der Konservativen gestand seine Wahlniederlage ein, verwies aber zugleich auf die Verluste für Trudeaus Liberale. Trudeau sei angeschlagen und seine Regierung werde bald beendet sein. «Wenn die Zeit kommt, werden die Konservativen bereit sein, und wir werden gewinnen!», sagte Scheer.
Trudeau könnte nun Gespräche mit der noch jungen New Democratic Party (NDP) und mit dem Bloc Québécois beginnen, der sich für eine Unabhängigkeit der französischsprachigen Provinz Québec stark macht. Die NDP kam auf 24 Sitze, der nach herben Verlusten bei der Parlamentswahl 2015 bereits totgeglaubte Bloc Québécois auf 32 Sitze.
In Montréal richtete sich Trudeau ausdrücklich an die französischsprachige Bevölkerung von Québec. Die Bürger dort «wollten sicherstellen, dass die Stimme Québecs noch stärker in Ottawa gehört wird», sagte der Premier. Die Liberalen «werden für euch da sein», versprach er.
Der Wahlkampf in Kanada war ungewöhnlich heftig geführt worden. Trudeau bezeichnete den Wahlkampf als «einen der schmutzigsten, auf Desinformation basierenden» in der Geschichte des Landes. Wegen Drohungen musste Trudeau bei einer Wahlkampfveranstaltung gar eine schusssichere Weste tragen.
Der Premier war wegen eines Skandals um ein 18 Jahre altes Foto, das ihn mit dunkel geschminkter Haut und Turban zeigt, und einer Affäre um politische Einmischung in die Justiz politisch angeschlagen.
Im Wahlkampf versuchte er mit seiner Regierungsbilanz zu punkten, etwa einer gesunden Wirtschaft, der Legalisierung von Cannabis, der Einführung einer CO2-Steuer und der Unterzeichnung von Handelsabkommen mit Europa, den USA und Mexiko.
(SDA)