Rahel Staehelin* arbeitet seit zehn Jahren für den Kanton Basel–Stadt. Sie hat Kundenkontakt und ist für die Kasse verantwortlich. Es sei ihre Traumstelle, ist im Jahresbericht der Basler Ombudsstelle zu lesen. Eines Tages wird eine Aushilfe mit befristetem Vertrag eingestellt, da ein Kollege Staehelins einen Unfall hat und länger ausfällt.
Die Aushilfe hat deshalb wenig Berufserfahrung und verfügt über nur mangelhafte Deutschkenntnisse. So kommt es oft zu Missverständnissen mit Kunden und die Kasse stimmt plötzlich nicht mehr immer.
Liebesnest des Teamleiters
Gleichzeitig beginnt Teamleiter Marco Maurer* eine Affäre mit der Aushilfe. Die beiden geben sich offenbar keine Mühe, diskret zu sein. Nach zwei Monaten weiss das ganze Büro vom Techtelmechtel. Bloss: Die beiden sind verheiratet. Was liegt also näher, als die Dienstelle in ein Liebesnest zu verwandeln? Maurer nutzt seine Macht aus, besetzt den Pausenraum des Teams, platziert dort ein französisches Bett, eine Polstergruppe und eine Stereoanlage. Die Verliebten übernachten auch dort. Wie die «Schweiz am Wochenende» recherchierte, fand das Szenario im Erziehungsdepartement statt.
Stören tut es Staehelin oder ihre Kollegen offenbar nicht, denn Maurer und die Aushilfe können ungestört ihrer Liebschaft nachgehen. Dass die Geschichte aufflog lag daran, dass Maurer – oder seine Geliebte – noch mehr wollten. Sie wollten Rahel Staehelins Job.
Zur Kündigung gedrängt
Die 59–jährige fühlte sich von ihrem Chef mehr und mehr schikaniert. Er beschuldigt sie, wenn zum Beispiel mit dem Geld etwas nicht stimmt. Sie muss zusätzliche Arbeit übernehmen und der Teamleiter installiert eine Kamera, um ihre Arbeit zu überwachen. Er überprüft die Arbeit von Frau Staehelin per
Handy, sogar während seiner Ferien, ist im Bericht der Ombudsstelle zu lesen. Diese sucht Staehelin auf, nachdem ihr Marco Maurer zu verstehen gab, dass sie kündigen soll. Der Fall ist klar: Er wollte seiner Geliebten die Stelle geben.
Staehelin fühlt sich unter Druck gesetzt, doch kündigen will sie nicht. In ihrem Alter dürfte es schwierig werden, einen neuen Job zu finden. Und schliesslich ist es ihre Traumstelle, auch mit allen Kollegen – einschliesslich Maurer – verstand sie sich bis dahin sehr gut. Der Lebenspartner von Staehelin rät ihr, die Ombudsstelle aufzusuchen. Diese ist eine unabhängige Beschwerdeinstanz und vermittelt bei Konflikten zwischen der Bevölkerung und der Verwaltung des Kantons Basel-Stadt.
Die Verliebten verlieren
Die Ombudsstelle glaubt die Geschichte, unter anderem aufgrund von Fotos des Liebesnests. Sie verständigt die zuständige Personalabteilung, welche sich mit dem Abteilungsleiter des Erziehungsdepartements in Verbindung setzt. Dieser kann kaum glauben, was er erfährt. Gemeinsam mit dem Personaldienst macht er sich sogleich auf, den Raum zu suchen. Und findet ihn, einschliesslich der von Staehelin beschriebenen Kamera.
Die Personalabteilung und der Abteilungsleiter sind sich einig, dass auf den nächsten Arbeitstag die sofortige Freistellung von Marco Maurer verfügt wird. Kurz darauf wird der Teamleiter über seine fristlose Kündigung informiert und ihm das rechtliche Gehör gewährt. Er akzeptiert die Kündigung, ohne Rechtsmittel einzulegen. Seine Geliebte lässt sich bis zum Ende ihres befristeten Einsatzes krankschreiben. Sie dürfte ihre gewünschte Festanstellung nicht bekommen.
* Namen geändert
(vof)