Meist sind es keine spektakulären Fälle, wie sie etwa aus den USA immer wieder bekannt werden. Bei zwei Dritteln der Fehlurteile ging es um Strafbefehle, hat der an der Uni Zürich lehrende Rechtsprofessor beobachtet. Nur ein Drittel waren Fehlurteile eines Gerichts.
Strafbefehle sind Verfügungen einer Staatsaanwaltschaft in geringfügigeren Angelegenheiten, die ohne Gerichtsverfahren erledigt werden. Erlassen werden etwa Bussen, Geldstrafen oder Freiheitsstrafen von längstens 6 Monaten.
Die meisten Urteile waren also relativ geringfügig. Nur 12 Personen wurden zu Unrecht zu Freiheitsstrafen von mehr als zwei Jahren verurteilt.
Radio DRS berichtete über die Studie, welche das Zürcher «Unimagazin» veröffentlicht hatte. Killias kritisiert in seiner vom Nationalfonds finanzierten Arbeit namentlich, dass im Strafbefehlsverfahren der oder die Beschuldigte kein Recht auf Anhörung habe. Der zuständige Staatsanwalt urteilt allein aufgrund der Polizeiakten.
Als er die Studie im Juli abschloss, hoffte Killias noch, der Nationalrat greife im Rahmen der Diskussion über eine schweizweit einheitliche Strafprozessordnung korrigierend ein. Dies sei aber nicht geschehen, sagte Gwladis Gilliéron, Assistentin Strafrecht und Kriminologie an der Uni Zürich, die an der Forschungsarbeit beteiligt war, auf Anfrage der SDA.
Wenn der Fall laut Akten klar sei (oder scheine), brauche es auch künftig keine Anhörung. Damit wird die Situation in Kantonen wie etwa Graubünden verschlechtert, wo heute die Anhörung obligatorisch ist.
Die schweizerische Praxis ist laut Killias extrem «strafbefehlslastig». Drei von vier Strafverfahren enden mit einem Strafbefehl - eine Quote wie nirgends sonst in Europa. Nur jeder vierte Fall kommt vor Gericht.