Es zählt zu den schwersten Flugzeugunglücken der Schweizer Luftfahrtgeschichte: Der Absturz der Ju-52 am Piz Segnas schockte vor einem Jahr die Welt. Mit hoher Geschwindigkeit, fast senkrecht, krachte die Oldtimer-Maschine am 4. August 2018, um 16.56 Uhr, rund 500 Meter vom Martinsloch entfernt auf den Boden des Talkessels. Alle 20 Menschen an Bord – die 17 Passagiere, die beiden Ju-Air-Piloten Ruedi J.* (†62) und Peter M.* (†63) sowie Flugbegleiterin Yvonne B.* (†66) – kommen ums Leben. Nur wenige Minuten nach dem Unglück in den Bündner Bergen wird Ju-Air-Chef Kurt Waldmeier (69) über den Absturz informiert.
«Ich war zu Hause und erhielt einen Anruf von der Alarmzentrale. Man sagte mir, der Notfall-Peilsender unseres Flugzeugs sei aktiviert worden, was auf einen Unfall hindeutet», erinnert sich Waldmeier. Bange Minuten folgten. «Ich fuhr sofort an den Sitz der Ju-Air in Dübendorf, setzte unsere vorbereitete Notfallorganisation in Gang und versuchte, bei den Behörden Näheres zu erfahren.» Doch mit jeder Minute der Ungewissheit schwindet die Hoffnung.
Tod der Ju-52-Opfer «macht uns alle tieftraurig»
«Im Laufe des Abends wurde der Unfallort bekannt. Wenig später herrschte dann traurige Gewissheit, dass niemand den Unfall überlebt hatte», so der Airline-Chef. Auch die Hinterbliebenen wussten Bescheid. «Zusammen mit meinem Team und externen Spezialisten habe ich in Dübendorf die Angehörigen betreut.»
Sechs Wochen nach dem tragischen Absturz, am 15. September 2018, wandert Waldmeier zusammen mit rund 60 Angehörigen, Freunden, Rettungskräften, Betreuern und Vertretern der Gemeinde Flims, der Regierung Graubündens sowie der Ju-Air zur Absturzstelle. «Es wurden einige Worte gesagt, und es gab etwas Musik. Jeder hat auf seine Weise der Verstorbenen gedacht.»
Nebst dem Tod der Passagiere hat der CEO auch den Verlust der Crew-Mitglieder zu betrauern. «Alle drei haben der Ju-Air über viele Jahre ihre Passion für die Fliegerei und ihre Freizeit geschenkt. Ihr Tod und der Tod der Passagiere sind eine riesige Tragödie, die uns alle tieftraurig macht», so Waldmeier. Aufzuhören, daran habe man bei der Ju-Air dennoch nie gedacht. Waldmeier erinnert sich an ein Gespräch mit einem Angehörigen, nur wenige Tage nach dem Unfall: «‹Fliegen Sie bitte weiter›, sagte mir ein Mann, der seine Eltern verloren hatte.»
Ju-Air-Chef will dafür sorgen, dass derartiger Unfall nie wieder passiert
Derzeit ist der Flugbetrieb wegen der Totalrevision der Ju-Air-Flieger ausgesetzt. 2021 werden die Oldtimer-Maschinen wieder abheben und Waldmeier spätestens dann sein Amt niederlegen. Der Ju-Air werde er dennoch erhalten bleiben. «Ich werde mich dafür einsetzen, dass die Ju-Air und die persönlich Betroffenen die Katastrophe vom 4. August 2018 verarbeiten können und dass ein solcher Unfall nie wieder passieren kann.»
Die Trauer ist derweil bis heute ungebrochen. «Der Unfall ist im ganzen Team der Ju-Air in der einen oder anderen Form jeden Tag präsent. Wir arbeiten den Unfall menschlich und fachlich auf; das ist für alle eine grosse Herausforderung. Seit dem ersten Tag versuchen wir, den Angehörigen zur Seite zu stehen und bieten aktiv unsere Hilfe an», sagt Waldmeier. Anlässlich des Jahrestags werden die Hinterbliebenen am Sonntag abermals zusammenkommen, um ihrer Liebsten zu gedenken.
*Namen bekannt