Am Freitag kursierten wieder Gerüchte. 500, ja sogar 1000 Flüchtlingen aus Mailand (I) sei der Transit durch die Schweiz nach Deutschland gelungen. Die Schweizer Grenze sei offen.
Prompt entflammt bei den Flüchtlingen in der Grenzstadt Como Hoffnung. Auf den Perrons am Bahnhof San Giovanni bricht Reisefieber aus, Hektik und Übermut. Dutzende besteigen noch am gleichen Tag Züge nach Chiasso TI. Weitere wollen folgen. Die Erwartungen sind hoch.
Auch am Samstagnachmittag versammelt sich eine grosse Gruppe Eritreer auf Gleis 2. Sie will in die Schweiz – oder weiter nach Deutschland. Endlich weg aus dem Lager in Como. Ein Zugbillett hat keiner.
Dann kippt die Stimmung: Statt des ersehnten Intercity taucht die italienische Bereitschaftspolizei auf. Die Beamten tragen Helme, schusssichere Westen und Knüppel. Sie machen Angst.
Die Polizei riegelt den Bahnhof ab. Für die Flüchtlinge gibt es kein Durchkommen mehr. Der Zugang zu den Gleisen ist blockiert. Auf Hoffnung folgen Enttäuschung und Empörung.
Die regulären Fahrgäste des Intercity bekommen vom Tumult im Bahnhof Como nicht viel mit. Der Zug wird einige Kilometer vor der Station San Giovanni angehalten und fährt erst weiter, als die Perrons geräumt sind.
Auf Gleis 1 werden ausrangierte Waggons geschoben. Sie bilden eine Mauer zu den anderen Gleisen und nehmen die Sicht auf die Züge. Die Botschaft an die Flüchtlinge in Como ist deutlich: Von hier gibt es kein Weiterkommen. Hier ist für euch Endstation.
Pfarrer Giusto Della Valle (55) beobachtet die Situation in Como seit Beginn. «Es ist verwirrend», sagt er. «Wir wissen nicht, was an der Schweizer Grenze wirklich passiert. Kürzlich haben wir gehört, eine Gruppe von 30 Flüchtlingen sei in die Schweiz gelangt und dort durchgewunken worden. Obwohl sie nicht in der Schweiz Asyl beantragten, sondern weiter nach Deutschland wollten.»
Ein klarer Verstoss der Schweizer Behörden. Solche Berichte und Gerüchte stacheln die Gestrandeten am Bahnhof San Giovanni an, es ebenfalls zu versuchen. Dabei ist ihre Lage verfahrener denn je.