Irak
60 Tote und 20'000 Verletzte seit Beginn der Proteste im Irak

Bei einem bewaffneten Angriff auf ein zentrales Protestlager in der irakischen Hauptstadt Bagdad sind am Freitag nach Angaben aus Sicherheitskreisen mindestens neun Menschen ums Leben gekommen.
Publiziert: 06.12.2019 um 21:52 Uhr
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Aktualisiert: 03.01.2020 um 20:48 Uhr
Seit Beginn der Proteste im Irak Anfang Oktober sind dort mindestens 460 Menschen getötet worden.
Foto: Hadi Mizban

Der Überfall habe sich nach Einbruch der Dunkelheit ereignet, sagten Augenzeugen der Nachrichtenagentur AFP. Demnach griffen mehrere bewaffnete Männer auf Pick-ups ein Gebäude in der Nähe der Al-Sinek-Brücke an, in dem regierungskritische Demonstranten seit Wochen ausharren.

Den Augenzeugenberichten zufolge zwangen die bewaffneten Männer mehrere Demonstranten, das Gebäude zu verlassen. Später waren demnach Schüsse zu hören. Das Staatsfernsehen berichtete, die Proteststätte sei von «unbekannten Männern» in Brand gesteckt worden.

Nach Angaben von Ärzten wurden bei dem Überfall dutzende weitere Menschen verletzt. Die Zahl der Todesopfer könnte demnach weiter steigen. Eine Ärztin in einem nahegelegenen provisorischen Spital sagte, sie habe mindestens fünf Patienten mit Stichwunden behandelt.

Seit Beginn der Proteste im Irak Anfang Oktober sind dort mindestens 460 Menschen getötet worden. Mehr als 20'000 Menschen seien bei den Anti-Regierungs-Demonstrationen verletzt worden, sagte Ali al-Bajati, Mitglied der vom irakischen Parlament gewählten Menschenrechtskommission, am Freitag.

Die Demonstranten werfen der Regierung Misswirtschaft und Korruption vor. Internationale Menschenrechtsgruppen kritisieren die Sicherheitskräfte scharf und werfen ihnen unrechtmässige Tötungen und massive Gewalt gegen Demonstranten vor. Iraks Regierungschef Adel Abdel Mahdi hatte im Zuge der Proteste seinen Rücktritt eingereicht.

Die US-Regierung verhängte am Freitag Sanktionen gegen drei irakische Anführer der schiitischen Hasched-al-Schaabi-Milizen. Diese seien an der Niederschlagung der Proteste und an schweren Menschenrechtsverletzungen beteiligt gewesen und würden vom Iran unterstützt, hiess es aus dem US-Aussenministerium.

Ausserdem wurde ein irakischer Politiker wegen Korruption mit Sanktionen belegt. Etwaige Vermögenswerte der Betroffenen werden damit eingefroren und Geschäfte mit ihnen für Amerikaner untersagt.

Auf die Frage, ob dies tatsächlich Auswirkungen habe oder wegen fehlender finanzieller Verbindungen der Personen in die USA in die Leere laufe, räumte ein hochrangiger Vertreter des Aussenministeriums ein: «Es ist an erster Stelle symbolisch.»

US-Aussenminister Mike Pompeo sagte mit Blick auf die Proteste: «Das irakische Volk will sein Land zurück.» Die Menschen dort forderten echte Reformen und eine vertrauenswürdige Führung, die im Interesse des Landes handle. Diesen Forderungen dürfe man nicht mit Gewalt und Unterdrückung begegnen.

Seit dem Rücktritt von Regierungschef Abdel Mahdi laufen in Bagdad Gespräche über die Bildung einer neuen Regierung. Daran ist auch der iranische General Qassem Soleimani beteiligt. Der Kommandant der Al-Kuds-Brigaden der iranischen Revolutionsgarden verfügt über grossen Einfluss in Bagdad und interveniert immer wieder in der irakischen Politik.

Die USA verurteilten das am Freitag als «riesige Verletzung der irakischen Souveränität". Soleimanis Einmischung sei «unglaublich problematisch», sagte der für den Nahen Osten zuständige US-Spitzendiplomat David Schenker. Die Nachbarstaaten des Irak sollten sich nicht einmischen und nicht die «Verfassung des Landes untergraben".

(SDA)

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