Invalidenversicherung
Nationalrat dürfte einer Kürzung der Kinderrenten zustimmen

Der Nationalrat begrüsst die Stossrichtung der neusten IV-Revision, die auf Jugendliche und psychisch Kranke ausgerichtet ist. Er hat am Mittwoch erste Entscheide gefällt. Noch nicht entschieden hat er, ob die Kinderrenten gesenkt werden sollen.
Publiziert: 06.03.2019 um 05:02 Uhr
|
Aktualisiert: 06.03.2019 um 19:25 Uhr

Nach der Debatte zeichnet sich ein Ja zur umstrittenen Kürzung ab: Neben der SVP und die FDP befürworten auch die Mehrheit der CVP sowie Teile der GLP und der BDP die Massnahme, wie die Fraktionssprecher sagten.

Vorgeschlagen hat die Kürzung nicht der Bundesrat, sondern die Sozialkommission des Nationalrates. Dabei geht es um das Geld für Kinder von IV-Rentnern, das heute «Kinderrente» genannt wird und künftig «Zulage für Eltern» heissen soll. Nach dem Willen der Kommission soll die Zulage von 40 auf 30 Prozent der Rente gesenkt werden.

Die Befürworterinnen und Befürworter argumentierten, es brauche weiterhin Sparmassnahmen bei der IV. Ausserdem führten die heutigen Renten bei kinderreichen zu Fehlanreizen.

Es dürfe nicht sein, dass Familien mit IV-Rente besser gestellt seien als Familien, die ihren Unterhalt selber verdienten, sagte Ruth Humbel (CVP/AG). Bei einer vollen IV-Rente von 2370 Franken betrage die Kinderrente heute 948 Franken pro Kind. Unter Umständen kämen noch Familienzulagen von einem erwerbstätigen Elternteil hinzu.

Gegen die Kürzung stellte sich die Ratslinke. Es gehe um über 70'000 Kinder von IV-Bezügern und über 26'000 Kinder von AHV-Bezügern, gab Maya Graf (Grüne/BL) zu bedenken. Eine Kürzung wäre unverantwortlich und beschämend. Sie könnte Familien in Not bringen. Die Betroffenen müssten Ergänzungsleistungen beantragen, womit die Kosten lediglich verlagert würden.

Silvia Schenker (SP/BS) bezeichnete die geplante Rentenkürzung als «unnötige Machtdemonstration gegenüber den Schwächsten". Bereits heute sorge eine Regelung dafür, dass es nicht zu einer Überversicherung komme. Über die Kürzung der Kinderrenten sowie ein neues stufenloses Rentensystem wird der Rat am Donnerstagmorgen entscheiden.

Bereits entschieden hat er über Massnahmen zur Eingliederung von Jugendlichen und psychisch Kranken. Dass es hier noch Verbesserungspotenzial gibt, war unbestritten.

Zum ersten Mal stehe eine Reform zur Debatte, bei der es nicht ums Sparen, sondern um Optimierungen gehe, sagte Kommissionssprecher Christian Lohr (CVP/TG). Jede gelungene Integration eines jungen Menschen in den Arbeitsmarkt spare der IV nicht nur eine Rente, sondern gebe der Person eine Lebens- und Arbeitsperspektive.

Künftig sollen Jugendliche schon ab dem 13. Altersjahr der IV gemeldet werden können, damit diese Unterstützungsmassnahmen ergreifen kann. Die SVP stellte sich vergeblich dagegen. Verena Herzog (SVP/TG) warnte, bald werde jeder in die IV abgeschoben, der eine intensive Pubertät durchmache.

Die Befürworter der Früherfassung argumentierten, heute bestehe eine Lücke bei den heiklen Übergängen von der Schule in die Lehre und von der Lehre in den Arbeitsmarkt. Mit frühzeitiger Unterstützung könnten längerfristig Kosten gespart werden.

Der IV gemeldet werden können nach dem Willen das Nationalrates künftig nicht nur arbeitsunfähige, sondern auch von einer länger dauernden Arbeitsunfähigkeit bedrohte Personen.

Eine weitere Neuerung betrifft medizinische Eingliederungsmassnahmen. Jugendliche sollen künftig bis zum vollendeten 25. Altersjahr und nicht nur bis zum 20. Anspruch auf medizinische Eingliederungsmassnahmen haben, die unmittelbar auf die Eingliederung ins Erwerbsleben gerichtet sind.

Ja sagte der Nationalrat ferner zu Änderungen bei den Taggeldern für junge Erwachsene. Das Ziel ist es, Fehlanreize zu beseitigen. Im heutigen System kann das Taggeld für junge Versicherte deutlich höher sein als der Lohn, den Gleichaltrige ohne gesundheitliche Beeinträchtigung in der Ausbildung erhalten.

Um den Anreiz zur Erwerbstätigkeit zu erhöhen, soll nun das Taggeld der Höhe eines Lohns für Lernende angeglichen werden, abgestuft nach Alter.

Weitere Gesetzesänderungen betreffen Geburtsgebrechen. Der Nationalrat ist einverstanden damit, dass für diese klare Kriterien im Gesetz verankert werden.

Nichts wissen will er jedoch von einer «Negativliste» bei den Geburtsgebrechen. Er folgte seiner Kommission und strich den Artikel aus dem Gesetz. Der Bundesrat hatte vorgeschlagen, dass er Leistungen bezeichnen könnte, deren Kosten die IV nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen übernimmt.

Die Reisekosten für Behandlungen sollen nach den bisher geltenden Regeln vergütet werden. Eine rechte Minderheit beantragte vergeblich, bei den Reisekosten zu sparen, wie es in einer früheren, gescheiterten IV-Revision bereits zur Diskussion stand.

Ergänzt hat der Nationalrat Regeln, um die Qualität von Gutachten im Auftrag der IV sicherzustellen. Er folgte dabei den Vorschlägen seiner Kommission. Der Rat will ausdrücklich festschreiben, dass Gutachterinnen und Gutachter unabhängig sein müssen.

Zudem sollen die Gespräche zwischen Gutachtern und Begutachteten protokolliert werden müssen. Der Bundesrat soll eine Kommission mit Vertretern aller betroffenen Kreise einsetzen, welche die Begutachtungen überwacht.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?