Bis Montag versuchte der bundeseigene Rüstungskonzern Ruag, Nachforschungen gegen einen früheren Mitarbeiter unter dem Deckel zu halten.
Korruptionsstaatsanwälte aus Deutschland ermitteln gegen fünf Verdächtige, darunter ein Walliser Ehepaar. Recherchen von SonntagsBlick zeigen: Unter den Beschuldigten ist der ehemalige Ruag-Manager M. I.* Ein möglicherweise illegaler Ruag-Deal soll über eine Firma gelaufen sein, an welcher dessen Ehefrau zu 50 Prozent beteiligt war.
Die Vorwürfe sind happig: Es geht um ungetreue Geschäftsbesorgung, Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr. Genaueres weiss man nicht, der Walliser soll der Ruag mitgeteilt haben: «Alle Vorgänge sind erklärbar, aber ich habe einen Maulkorb von meinem Anwalt.» So steht es in einer Aktennotiz, die SonntagsBlick vorliegt. Die Ermittlungen laufen seit eineinhalb Jahren. Ob und wann Anklage erhoben wird, ist unklar. Die derzeitige Anwältin des Ehepaars schweigt zu allen Vorwürfen. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Nach Informationen von SonntagsBlick kam es am 1. März 2022 zu einer Hausdurchsuchung bei der deutschen Ruag. Die Behörden reagierten auf einen «verdächtigen Mehrverkauf zweier Getriebe» am 12. November 2019. Es soll sich um Panzerteile handeln. Ob sie von den Panzern der Ruag in Norditalien stammen, ist unklar.
Laut Aktennotiz wurden die Panzergetriebe «über fünf Stationen am gleichen Tag mit eklatanter Preissteigerung» veräussert – darunter auch an die Firma, bei der die Ehefrau von M. I. Miteigentümerin war. Die Ruag stellte den Manager frei, heute ist er nicht mehr für sie tätig.
Krisenstab einberufen
Die Ermittlungen waren auch dem Ruag-Verwaltungsrat bekannt, ein Krisenstab ist eingerichtet. Eine Aktennotiz der Ruag kritisiert «fragmentarische, unzureichend dokumentierte» Vorgänge. Sogar von einem mutmasslichen «Schwarzlager» ist die Rede: Getriebe sollen nicht ordnungsgemäss verbucht, eines «ohne detaillierte Dokumentation» ausgetauscht worden sein. Auch die Preisbestimmung sei «nicht nachvollziehbar», es fehlten «erhärtete Angaben über den damaligen Marktpreis». Die Aktennotiz mutmasst sogar: «Kriminelle Energie?» Die Dokumentation sei möglicherweise absichtlich lückenhaft erfolgt.
Die Spur führt auch vom Walliser Ex-Manager zu den Leopard-1-Panzern der Ruag, die seit Monaten für Ärger zwischen der Schweiz, der Ukraine und Nato-Ländern sorgen. Die Niederlande wollten, dass der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall sie aufmöbelt und dann in die Ukraine liefert. Doch wegen der Schweizer Neutralität stoppte Bern den Deal.
Am Montag wurde bekannt: 25 Panzer gehören vielleicht gar nicht mehr der Ruag, sondern dem deutschen Unternehmen Global Logistics Support. Die Firma arbeitet als Zwischenhändlerin seit Jahren mit der Ruag zusammen. Denn die deutsche Bundeswehr durfte mit der Ruag in der Schweiz keine direkten Geschäfte abwickeln.
Die Vorzeichen wechselten, als die Ruag in Deutschland eine eigene GmbH gründete. Zwar hätte der Rüstungskonzern aus einem Vertrag mit dem Zwischenhändler GLS «ohne gesonderte Vereinbarung aussteigen können», wie ein internes Dokument feststellt. Dennoch liess er sich 2019 auf einen neuen Deal mit der GLS ein: Zwei Prozent von bestimmten Umsätzen sollten weiterhin an die GLS fliessen, mindestens 500'000 Euro von August 2020 bis Dezember 2023. Welche Gegenleistung die Ruag erhalten sollte, ist unklar. Die GLS wollte sich hierzu gegenüber SonntagsBlick nicht äussern, betont aber, nicht Teil des Strafverfahrens zu sein.
500 Euro pro Panzer
Laut einer Aktennotiz bestellte die GLS am 27. November 2019 bei der Ruag 25 Leopard-1-Panzer im Wert von 12'500 Euro, also 500 Euro pro Panzer. Der Walliser Ex-Ruag-Manager sei davon ausgegangen, dass der 500 000-Euro-Deal mit der GLS damit erledigt sei. Doch ob es überhaupt einen wasserdichten Vertrag gibt, ist unklar. «Eine Verhandlung mit GLS muss stattfinden. Für viele Themen ist die Dokumentation mangelhaft», heisst es in einer Ruag-internen Aktennotiz.
Warum die GLS 2019 die Panzer nicht in Italien abholte, ist unklar. Im Frühjahr 2022 – inzwischen hatte Putin seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen – kam nochmals Bewegung in die Sache. Am 28. März 2022 bestätigte die Ruag der GLS den Deal. Nun war allerdings nicht mehr von 500 Euro pro Panzer die Rede, sondern von einem «Schrottwert» von 6500 Euro pro Stück.
Am Freitag forderte die GLS per Medienmitteilung die Leopard-1-Panzer der Ruag ein. Sie habe das «uneingeschränkte Eigentum» an den 25 Fahrzeugen erworben und möchte sie in Italien abholen. Ein Problem mehr für VBS-Chefin Viola Amherd (61) und Wirtschaftsminister Guy Parmelin (63). Ihm untersteht das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), das für Rüstungsexporte zuständig ist. Beim Seco ist in den letzten Jahren kein Ruag-Gesuch wegen der 25 Panzer für GLS eingegangen.
Amherd hat unterdessen eine externe Untersuchung angekündigt.
* Name bekannt