Geh näher ans Mikrofon, stell dir vor, es sei mein Penis.» Oder: «Nächstes Mal, wenn du gegen das Licht filmst, kriegst du eins auf den Hintern.» Aussagen wie diese sammeln Westschweizer Journalistinnen auf dem Instagram-Account Swiss Media Too. Fein säuberlich aufgelistet, in farbige Kästchen sortiert, sind dort seit einer Woche MeToo-Erlebnisse der Schweizer Medienbranche aufgeführt – von den Betroffenen selbst.
Die meisten sind Frauen. Sie berichten von Mobbing, Sexismus und sexueller Belästigung. An der Redaktionssitzung. Im Fernsehstudio. Beim Team-Event. Die Täter sind andere Journalisten, Chefredaktoren, Kadermänner, Regisseure oder Techniker – allerdings bleiben beide Seiten anonym, Täter wie Opfer.
Korridore der Büros plakatiert
Der Account zählt bereits mehr als 5000 Follower. Lanciert hat ihn das Frauenstreik-Komitee «Collectif RTS 14 juin» des Westschweizer Fernsehens, das nach dem Frauenstreik eigentlich im Ruhestand war. Nach dem Skandal um das langjährige RTS-Aushängeschild Darius Rochebin (53) und zwei Kadermänner wurden die Frauen erneut aktiv: «Wir tauschten in einem Google-Docs-Dokument unsere Erfahrungen mit Sexismus innerhalb der RTS aus. Als das Ausmass deutlich wurde, notierten wir die Erlebnisse auf Zettel und plakatierten damit Korridore der Büros in Genf und Lausanne», erzählen zwei der 120 Mitglieder, die als Gruppe wahrgenommen werden wollen.
Aktionen wie «Balance ta rédaction» (auf Deutsch: Verpfeif deine Redaktion) aus Frankreich hätten sie zu ihrer Instagram-Initiative inspiriert, so die beiden Frauen. «Wir sind extrem schockiert, wie viele Berichte wir seither erhalten» – seit kurzem auch aus dem Tessin. Bei Radiotelevisione Svizzera (RSI) waren Anfang dieser Woche ebenfalls Belästigungsvorwürfe publik geworden. Die SRG hat Untersuchungen eingeleitet.
Nicht nur Service Public betroffen
Die geschilderten Erlebnisse stammen allerdings nicht alle aus dem Service public. Die «Tribune de Genève» erscheint auf Swiss Media Too als Tatort, ebenso Radio One FM, «20 Minutes» oder das Online-Medium Konbini. Deutschschweizer Zeitungen, Radios oder Fernsehsender sind nicht darunter – bis jetzt.
Wie SonntagsBlick weiss, sind mittlerweile auch Berichte aus dem grössten Landesteil eingegangen. Das Kollektiv will sie in Kürze veröffentlichen.