Indien
Kein Ende der Proteste gegen indisches Einbürgerungsgesetz in Sicht

In Indien gehen die Massenproteste gegen das neue kontroverse Einbürgerungsgesetz weiter. Zehntausende Menschen demonstrierten am Dienstag allein in der Stadt Kolkata.
Publiziert: 17.12.2019 um 19:36 Uhr
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Aktualisiert: 17.12.2019 um 19:37 Uhr
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Demonstration gegen das umstrittene Einbürgerungsgesetz in Gauhati, im Bundesstaates Assam an der Grenze zu Bangladesch.
Foto: Anupam Nath

Seit Tagen protestieren Zehntausende im ganzen Land gegen das neues Gesetz, das illegal eingereisten Migranten aus Afghanistan, Pakistan und Bangladesch die Einbürgerung erleichtert - wenn sie keine Muslime sind. Demonstranten werfen Steine gegen Polizisten, die antworten mit Tränengas und Schlagstöcken.

Es sind die ersten grösseren Proteste seit dem Amtsantritt des hindunationalistischen Premierministers Narendra Modi vor fünf Jahren, der im vergangenen Frühling mit überwältigender Mehrheit wiedergewählt worden ist. Konkret geht es bei dem Gesetz um Verfolgte religiöser Minderheiten wie Hindus, Christen, Sikhs, Buddhisten, Jaina und Parsen.

Doch für viele Inder ist Modi mit dem Gesetz zu weit gegangen. Zwar überzeugte er seine Wähler im mehrheitlich von Hindus bewohnten Indien seit jeher mit entsprechender Mehrheitspolitik.

Inzwischen fürchten aber viele, dass die rund 200 Millionen Muslime zu Bürgern zweiter Klasse werden und Indien sich immer mehr vom Ideal seines Gründervaters Mahatma Gandhi entfernt: Statt eines säkularen Staates, in dem alle Religionen willkommen sind, werden Staatsbürgerschaft und Religion erstmals verknüpft - ein Verstoss gegen die Verfassung, wie Kritiker, darunter Oppositionspolitiker, sagen.

In Kolkata führte die Regierungschefin des Bundesstaates, Mamata Banerjee, die Proteste an. Sie gehört einer anderen Partei als Premierminister Modi an - und sagte, dass es Modis hinduistisch-nationalistischen Partei BJP alleine darum gehe, den Islam zu unterdrücken.

Doch Modi spielt solche Ängste herunter. So sagte er am Dienstag: «Beim Gesetz geht es um verfolgte Menschen in den drei Ländern, und die Rechte indischer Staatsbürger - egal ob sie nun Hindus oder Muslime sind - werden in keiner Weise beeinflusst.» Es seien lediglich Oppositionsparteien, die Angst schüren würden.

Gleichzeitig schickte Modi Truppen zu Demonstrationen im Nordosten des Landes, wo zeitweise auch Ausgangssperren verhängt wurden und das Internet abgeschaltet wurde.

Die Demonstranten glauben den beschwichtigenden Worten ihres Premierministers nicht - weil dieser alles daran setzt, um Wahlversprechen rasch umzusetzen, von denen sich Muslime bedroht fühlen.

So erkannte er etwa im August dem einzigen mehrheitlich muslimischen Bundesstaat Jammu und Kaschmir einen Sonderstatus ab, der ihnen zuvor eine Teilautonomie erlaubte. Um Proteste zu verhindern, schickte er auch dorthin Soldaten und schaltete das Internet ab.

Zusätzlich hatte die Regierung Einwohner des Bundesstaates Assam an der Grenze zu Bangladesch aufgefordert zu beweisen, dass sie Inder sind und bereits ihre Vorfahren in Indien gelebt haben. In dem Bundesstaat leben viele illegal eingereiste Muslime aus Bangladesch.

Die Regierung des Bundesstaates veröffentlichte im September ein umstrittenes Staatsbürgerregister mit den Namen von gut 31 Millionen Einwohnern.

Auf dieser Liste fehlen rund 1,9 Millionen Bewohner. Ihnen droht die Staatenlosigkeit oder die Abschiebung, wenn sie nicht die nötigen Papiere vorweisen können. Hindu-Nationalisten sehen Muslime der bengalischsprachigen Minderheit als Eindringlinge - ein Wort, das auch Modi schon gebraucht hat.

Seit das neue Einwanderungsgesetz Anfang der vergangenen Woche vom Parlament abgesegnet worden ist, gab es bei den Protesten laut Polizei Dutzende Verletzte und mehrere Tote. Begonnen hatte der Widerstand im Nordosten Indiens an der Grenze zu Bangladesch.

Das neue Gesetz geriet auch international in die Kritik. Das Uno-Hochkommissariat für Menschenrechte in Genf etwa bezeichnete es als «grundlegend diskriminierend". Es untergrabe das Versprechen zur Gleichheit vor dem Gesetz, zu dem sich Indien nicht zuletzt mit seiner eigenen Verfassung verpflichtet hat.

Ein Ende der Proteste ist nicht in Sicht. Für Sonia Gandhi, Parteichefin der oppositionellen Kongresspartei, ist klar: «Die Regierung Modis scheint die Stimmen des Volkes nicht zu beachten und macht Gesetze, die in einer Demokratie nicht akzeptabel sind.»

(SDA)

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