In seiner Heimat wurde er bedroht
Schwuler Nigerianer darf in der Schweiz bleiben

Das Staatssekretariat für Migration (SEM) hat O. jetzt als Flüchtling anerkannt. Der Entscheid markiert eine Kehrtwende – und den Endpunkt einer jahrelangen Odyssee durch die Wirren des Schweizer Asylsystems.
Publiziert: 02.07.2017 um 12:21 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 04:28 Uhr
Fabian Eberhard

Anfang 2016 reiste ein Mitarbeiter der Schweizer Botschaft in Nigeria an den Ort, wo alles angefangen hat – in die nigerianische Provinz Enugu. Eine staubige Lehmstrasse führte ihn ins Bauerndorf Amofia Eké, wo der Beamte mehr über das Leben und die Flucht von O.* zu erfahren suchte.

O. ist homosexuell. 2010 ersucht er um Asyl in der Schweiz. Als Fluchtgrund gab er an, dass er von einem schwulenfeindlichen Mob unter Todesdrohungen aus seinem Heimatdorf gejagt worden sei.

Breite Solidaritätsbewegung

Das Staatssekretariat für Migration (SEM) hat O. jetzt als Flüchtling anerkannt; er darf in der Schweiz bleiben. Der Entscheid markiert eine Kehrtwende – und den Endpunkt einer jahrelangen Odyssee durch die Wirren des Schweizer Asylsystems. Bis vor kurzem zweifelte das SEM an der Fluchtgeschichte von O. Sein Gesuch und sämtliche Rekurse wurden abgelehnt. 2014 steckte man den Nigerianer sogar ins Ausschaffungsgefängnis. Wenn nötig, sollte er ausser Landes gebracht werden.

Doch die Verhaftung sorgte für Schlagzeilen und zog Proteste von Menschenrechtlern nach sich. Denn in Nigeria gelten scharfe Gesetze gegen die gleichgeschlechtliche Liebe: Schwulen und Lesben drohen bis zu zehn Jahre Gefängnis. Immer wieder kommt es zu Übergriffen auf Homosexuelle.

Die breite Solidaritätsbewegung für O. schreckte auch das SEM auf. Ende 2015 beauftragte der Bund ­einen Mitarbeiter der Schweizer Botschaft in Nigeria mit neuen Abklärungen zur Flucht von O.

Eine Ausschaffung wäre nicht zulässig gewesen

Nur wenige Monate später, am 29. März 2016, traf ein Schreiben aus der nigerianischen Hauptstadt Abuja beim SEM in Bern ein. Darin berichtet der Botschaftsmitarbeiter von seiner Reise in O.s Heimatdorf: Mehrere befragte Personen, darunter Familienmitglieder des Gesuchstellers, hätten den von ihm geschilderten Vorfall bestätigt.

Demnach sei O. aus dem Dorf vertrieben worden, weil er als Homosexueller ein «Sakrileg» begangen habe. Nun wäre O. beinahe wieder nach Nigeria ausgeschafft worden – obwohl ihm dort weiterhin Gewalt droht. Das SEM will seinen Fall aus Datenschutzgründen nicht kommentieren.

Alex Sutter vom Menschenrechtsverein Humanrights.ch begrüsst die Kehrtwende der Asylbehörde: «Die Schweiz kommt damit ihren internationalen Verpflichtungen nach.» Eine Ausschaffung wäre nicht zulässig gewesen.

Für O. gibt es dennoch kein ungetrübtes Happy End: Zwar darf er in der Schweiz bleiben, laut SEM ist er jedoch «asylunwürdig», weil er 2012 gegen das Betäubungsmittelgesetz verstossen hat.

*Name der Redaktion bekannt

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