Immer mehr Alte machen Ärger und werden kriminell
Achtung, Amok-Rentner!

Im Toggenburg weigert sich ein Rentner, die Krankenkassenprämien zu bezahlen. Im Berner Oberland hortet ein Senior 2000 Waffen. In Bern hält Amok-Rentner Kneubühl die Behörden auf Trab – genau wie der St.-Ursen-Brandstifter in Solothurn.
Publiziert: 01.03.2017 um 23:41 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 11:15 Uhr
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Peter Beurer (69) bezahlt seit sechs Jahren seine Krankenkassenprämien nicht. Vor zwei Wochen wurde er wegen «mehrfachen Ungehorsams im Betreibungsverfahren» im Toggenburg verurteilt.
Foto: Toini Lindroos
Gabriela Battaglia und Marco Latzer

Der eine Rentner (71) steht heute wegen des illegalen Besitzes von mehr als 2000 Waffen vor Gericht. Der andere Senior (69) weigert sich seit Jahren, die Krankenkassenprämien zu bezahlen. Amok-Rentner Kneubühl (74) hält die Berner Behörden auf Trab, und St.-Ursen-Brandstifter Andres Zaugg (66) sorgt in Solothurn für Kopfschütteln.

Die Zahlen zeigen: Kriminelle Senioren sind auf dem Vormarsch. Die aktuelle Kriminalstatistik belegt: Allein 2015 wurden schweizweit 5036 Rentner straffällig – ein markanter Anstieg innert weniger Jahre. Der eine Faktor: die steigende Lebenserwartung und die hohe Agilität. Der andere Grund: eine extreme Streitlust und Verbohrtheit.

Ein Ex-Lehrer, der keine Krankenkassenprämien zahlt

Vor zwei Wochen wird Paul Beurer (69) im Toggenburg verurteilt. Wegen «mehrfachen Ungehorsams im Betreibungsverfahren». Der pensionierte Lehrer bezahlt seit sechs Jahren seine Krankenkassenprämien nicht: «Ich habe 40 Jahre lang einbezahlt und nie eine Leistung beansprucht. Darum bin ich ausgestiegen. Finito!» 

Begründung: Er sei in der ganzen Zeit doppelt versichert gewesen. Für seine Gesundheitskosten komme ohnehin die Militärversicherung auf – wegen eines schweren Jeep-Unfalls im Jahr 1975. Beurer zückt einen Brief – tatsächlich bezahlt ihm das Militär noch im Jahr 2015 einen Aufenthalt im Spital von Wattwil SG. «Wegen der Spätfolgen», so der Toggenburger. Er verwendet es als Freibrief für den Zahlungsstopp – eine rechtskräftige Befreiung von der obligatorischen Krankenkasse besitzt der Mann aus Krummenau SG nicht.

Die Leute vom Betreibungsamt bezeichnet Beurer als «Schafseckel». Versicherungen sind für ihn eine «Mafia». Wegen der Verurteilung drohen ihm drei Tage Ersatzhaft. «Dann gehe ich halt in die Kiste», sagt er trotzig. Und fügt an: «Wenn ich irgendwann nicht mehr weiter weiss, gebe ich mir selbst den Schuss!» Der Versicherungsschreck besitzt von früher noch eine Offizierspistole. 

Waffennarr vergleicht Sammellust mit Kunstleidenschaft

Denn wenn Waffen ins Spiel kommen, wird kauzige Uneinsichtigkeit schnell unheimlich. Etwa bei Peter Abplanalp (71) in Unterseen BE. Die Polizei brauchte 2014 drei Tage, um das Haus des Rentners zu räumen. Grund: 20 Beamte stellten ein riesiges Waffenarsenal sicher. Auf 29 Paletten transportierten sie 1311 Gewehre, 1186 Faustfeuerwaffen und 53 Kisten Munition ab. Auch 402 Kilo Sprengstoff und 2843 Zünder wurden sichergestellt. Abplanalp wehrte sich gegen die Razzia: «Ich liebe meine Waffen wie andere ihre Ölgemälde. Die Sammlung ist mein Leben.»

Der Waffennarr kassierte wegen Widerhandlung gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz eine bedingte Geldstrafe von 6300 Franken. Abplanalp ging bis vor Bundesgericht. Und blitzte ab. Heute steht er vor dem Regionalgericht Oberland in Thun BE.

Hin und Her wegen Hungerstreik

Wohin so was führen kann, zeigte sich 2010, als Peter Hans Kneubühl (74) die Schweiz in Atem hielt. Sein Haus in Biel BE sollte versteigert werden. Als die Polizei anrückte, schoss er und verletzte einen Mann schwer. Er konnte fliehen und wurde erst Tage später gefasst. Das Berner Obergericht taxierte ihn als schuldunfähig, ordnete eine stationäre therapeutische Massnahme an. Am
19. Januar dieses Jahres trat er in den Hungerstreik, weil er vom Gefängnis in Thun BE nach Thorberg verlegt wurde. Die Behörden wollten ihn zwangsernähren, aber seit vorgestern isst Kneubühl wieder.

St.-Ursen-Brandstifter sass fünf Jahre im Knast

Unheimlich auch die Taten von Andres Zaugg (66), der 2009 einen Zug entgleisen lassen wollte, 2010 mit einer Bomben-Attrappe in einem Zug die Selbstsprengung androhte und schliesslich 2011 die St.-Ursen-Kathedrale in Solothurn anzündete. Er sass fünf Jahre im Gefängnis und kam letzten Oktober frei.

Wie die Statistik zeigt, werden Beurer, Abplanalp, Kneubühl und Zaugg früher oder später einen Nachfolger finden. Die Frage ist nur, wie weit es dieser Amok-Opa dann treiben wird.

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