«Illegale Abfallentsorgung»
Deutsche Bestatter verstreuen Asche über den Bündner Alpen

Das Geschäft läuft: Asche von Verstorbenen aus einem Flugzeug über den Schweizer Alpen auszuschütten. «Paradies Flugbestattung» nennt ein deutscher Bestatter das Angebot. Er hat bereits hunderte Kilo Asche über den Bündner Bergen verstreut - ohne notwendige Bewilligung.
Publiziert: 10.11.2019 um 05:33 Uhr
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Aktualisiert: 10.11.2019 um 05:36 Uhr
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Hoch über den Bündner Bergen zur letzten Ruhe finden, damit wirbt ein bayrischer Bestatter, der Flugbestattungen über den Schweizer Alpen anbietet.
Foto: Engadin St. Moritz

In Deutschland sind sie verboten, die illegalen Flugbestattungen. Also nimmt Pilot Peter Kramer kurzerhand Kurs auf die Schweiz, genauer gesagt: auf die Bündner Alpen, wenn er sich wieder einer Fracht von Urnenasche zu entledigen hat. Alle paar Wochen, so berichtet die «SonntagsZeitung», belädt der 58-jährige Bestatter aus Bayern seine Cessna mit Urnen.

Seine Route, bis zu 30-mal im Jahr, führe ihn meist in die Bündner Alpen. Auf einer Höhe von rund 3000 Metern schüttet er die mitgebrachte Asche von Verstorbenen durch ein eigens gefertigtes Edelstahlrohr aus dem Pilotenfenster. Auf Wunsch filmt er die Ascheverstreuung für die Hinterbliebenen.

Kramer nimmt sich Zeit. In der Minute, bis sich eine Urne geleert hat, verteilt sich die Asche über mehrere Quadratkilometer. Kramer hat jeweils fünf bis zehn Urnen mit an Bord. Ein letzter Rundflug kostet knapp 400 Euro pro Urne. Das Geschäft läuft.

Liberalere Schweiz?

Kramer dürfte bis heute hunderte Kilo Asche über den Bündner Bergen verstreut haben. Und er ist nicht der einzige Bestatter, der diese beliebte Dienstleistung anbietet. Denn in Deutschland herrscht Friedhofspflicht. Die physischen Reste eines toten Menschen dürfen an keinem anderen Ort aufbewahrt werden.

Wie die «Süddeutsche Zeitung» berichtete, gilt unter den deutschen Bestattern die Gewissheit, dass die Schweiz dies liberaler handhabe: «Dort können Angehörige die Urne mit der Asche des Verstorbenen zum Beispiel mit nach Hause nehmen oder in der Natur verstreuen.»

Diese «juristische Feinheit» machen sich Kramer und seine Bestatterkollegen zu eigen. Dies, wie sich jetzt zeigt, ist allerdings ein Irrglaube. Die Schweizer Behörden haben von den Luftbestattungen bloss noch keinen Wind bekommen.

«Illegale Abfallentsorgung»

«Solche Bestattungen sind meiner Ansicht nach gestützt auf die eidgenössische Umweltschutzgesetzgebung ganz klar nicht erlaubt und damit illegal», zitiert die «SonntagsZeitung» Georg Thomann vom Amt für Natur und Umwelt Graubünden (ANU).

Thomann hörte zum ersten Mal von diesen Flugbestattungen. Er spricht von «illegaler Abfallentsorgung». Das Präsidium des Schweizerischen Verbands der Bestattungsdienste nennt das Abwerfen von Urnenasche aus dem Flugzeug «pietätlos» und den Gepflogenheiten einer Bestattung nicht «würdig».

Die Flugbehörde Bazl erachtet einen solchen Entsorgungsflug zumindest als bewilligungspflichtig. Gesetzlich sind solche Flüge nicht geregelt, doch um eine Bewilligung hatte sich Kramer nie gekümmert. Weshalb er wohl auch zurückkrebst. Denn mit Sicherheit geht die Asche auch in besiedelten Gebieten nieder.

Verwarnung oder Busse

Auf Anfrage erklärte Kramer einem Journalisten am Telefon, er sei seit zwei Jahren gar nicht mehr in die Schweiz geflogen. Noch vor wenigen Tagen vermittelte er der «Süddeutschen» einen ganz anderen Eindruck.

Ein Bazl-Sprecher erklärte der «SonntagsZeitung», man werde den Sachverhalt abklären und den Bestatter kontaktieren. Kramer droht eine Verwarnung oder auch Busse für die illegalen Alpenentsorgungsflüge.

Seine Flüge «zur letzten Ruhe» nennt Kramer auf einem Flyer «Paradies Flugbestattung». Darin wird der Himmel über den Schweizer Bergen oder über das offene Meer der Ost- oder Nordsee angeboten. Bleibt seinen Kunden wohl noch die längere letzte Reise am Himmel entlang ans nördliche Meer. (kes)

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