Videos zeigen die Ausschreitungen im April 2016
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Jetzt kommt es zum Prozess:Videos zeigen die Ausschreitungen im April 2016

Hooligan-Experte Maurice Illi über die Joggeli-Krawalle
«FCB-Ultras sahen Polizei als Provokation»

Das St.-Jakob-Stadion wurde im April 2016 zum Schauplatz von heftigen Ausschreitungen. FCB-Ultras und Polizei lieferten sich eine wüste Schlacht. Hooligan-Experte Maurice Illi (42) erklärt, wie die Fussball-Chaoten ticken.
Publiziert: 02.02.2020 um 23:51 Uhr
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Aktualisiert: 03.02.2020 um 11:44 Uhr
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«Die FCB-Ultras sahen die Polizei wohl als Provokation an», sagt der Schweizer Hooligan-Experte Maurice Illi (42) über die Ausschreitungen vom 10. April 2016 in Basel.
Foto: Franca Pedrazetti
Dominique Rais

Die Eventplattform beim St.-Jakob-Stadion in Basel gleicht am 10. April 2016 einem Schlachtfeld. FC-Basel-Ultras attackieren die Polizei. Doch wie ist es zu derart wüsten Ausschreitungen gekommen? Für den Hooligan-Experten Maurice Illi (42) ist der Fall klar: «Ultras sehen die Kurve und die Vorzone im Stadion, zu der in Basel die Eventplattform gehört, als ihr Revier an.»

«Als das Sicherheitsdispositiv aufgezogen wurde, hat es das Fass zum Überlaufen gebracht. Die FCB-Ultras sahen die Polizei in ihrer Vollmontur wohl als Provokation an.» Die Schlacht von Basel ist bei weitem kein Einzelfall. Zwischen rivalisierenden Fans und der Polizei kommt es immer wieder zu Scharmützeln. «Das Fussballstadion wie auch die Kurve sind ein Spiegel der Gesellschaft», sagt der Hooligan-Experte.

«Der klassische Hooliganismus ist ein Auslaufmodell»

«Und auch wenn es in und um Schweizer Fussballstadien immer wieder zu Ausschreitungen kommt, hat die Schweiz kein grösseres Problem mit Hooligans und Ultras als andere Länder», so Illi weiter. Wenn auch die Grenzen zwischen Hooligans und Ultras laut Illi immer schwammiger seien, gelte es dennoch zu differenzieren.

«Bekennende Hooligans sind gewaltsuchende, gewaltbereite und auch gewaltplanende Personen. Sie suchen den Konflikt mit anderen Gruppen oder im direkten Kampf Mann gegen Mann. Ultra-Gruppierungen stehen Tag und Nacht mit allem, was sie haben, für ihren Verein, nehmen extra Ferien, um an Auswärtsspiele zu gehen. Ultras sind nicht grundsätzlich gewaltsuchend. Sie wenden nur situativ Gewalt an.»

Illi ist sich sicher: Solange es den Fussball gibt, wird es auch Ultras und Hooligans geben. Doch: «Der klassische Hooliganismus, sich beim Fussballmatch zu treffen, um sich zu prügeln, ist ein Auslaufmodell. Ultra-Gruppierungen jedoch sind über die Jahre konstant geblieben. Einmal Fan, immer Fan.»

1579 Krawallmacher in Hooligan-Datenbank registriert

In der «Hoogan», der Hooligan-Datenbank des Bundes, sind derzeit 1579 Personen registriert. Dabei kommen 1140 Personen aus dem Fussballumfeld, 497 aus dem Bereich Eishockey – teilweise mit Überschneidungen. Auffällig: Hooligans sind meist männlich. Lediglich 18 Frauen sind im Hoogan erfasst.

Der grösste Teil der gewaltbereiten Sportfans, nämlich rund zwei Drittel – konkret 1138 Hooligans, ist zwischen 19 und 29 Jahre alt. Die in der Hooligan-Datenbank erfassten Personen bleiben bis drei Jahre nach Ablauf der letzten Massnahme im Hoogan eingetragen.

Mit Stand Juni 2019 laufen gegen insgesamt 668 Hooligans aktive Massnahmen, wobei in 573 Fällen ein Stadionverbot ausgesprochen wurde. Die häufigsten Delikte, die durch Hooligans verübt werden: Landfriedensbruch (352 Fälle), Verstoss gegen das Sprengstoffgesetz (289 Fälle), Widerhandlung gegen das Vermummungsverbot (225 Fälle) sowie Gewalt und Drohung gegen Beamte (135 Fälle).

Eine Studie der Universität Basel mit dem Titel «Zahn- und Kieferverletzungen verursacht durch Hooligans», die 2015 veröffentlicht wurde, gibt einen tieferen Einblick in die Szene. Insgesamt 95 Hooligans haben damals an der nicht repräsentativen Umfrage teilgenommen.

Aus dieser geht hervor, dass zwei Drittel (64 Personen) der Befragten Kampfsport oder Krafttraining betreiben. 61 Prozent tragen bei den Ausschreitungen nie einen Mundschutz. Von denen, die aber einen Mundschutz tragen, haben 51 Prozent eine individuelle Anfertigung. 86 Prozent aller Befragten haben sich bei Hooligan-Gewalteskalationen schon Zahnverletzungen zugezogen. Brisant: 13 der 95 Hooligans, also jeder siebte, hat einen Hochschulabschluss oder studiert. Dominique Rais

In der «Hoogan», der Hooligan-Datenbank des Bundes, sind derzeit 1579 Personen registriert. Dabei kommen 1140 Personen aus dem Fussballumfeld, 497 aus dem Bereich Eishockey – teilweise mit Überschneidungen. Auffällig: Hooligans sind meist männlich. Lediglich 18 Frauen sind im Hoogan erfasst.

Der grösste Teil der gewaltbereiten Sportfans, nämlich rund zwei Drittel – konkret 1138 Hooligans, ist zwischen 19 und 29 Jahre alt. Die in der Hooligan-Datenbank erfassten Personen bleiben bis drei Jahre nach Ablauf der letzten Massnahme im Hoogan eingetragen.

Mit Stand Juni 2019 laufen gegen insgesamt 668 Hooligans aktive Massnahmen, wobei in 573 Fällen ein Stadionverbot ausgesprochen wurde. Die häufigsten Delikte, die durch Hooligans verübt werden: Landfriedensbruch (352 Fälle), Verstoss gegen das Sprengstoffgesetz (289 Fälle), Widerhandlung gegen das Vermummungsverbot (225 Fälle) sowie Gewalt und Drohung gegen Beamte (135 Fälle).

Eine Studie der Universität Basel mit dem Titel «Zahn- und Kieferverletzungen verursacht durch Hooligans», die 2015 veröffentlicht wurde, gibt einen tieferen Einblick in die Szene. Insgesamt 95 Hooligans haben damals an der nicht repräsentativen Umfrage teilgenommen.

Aus dieser geht hervor, dass zwei Drittel (64 Personen) der Befragten Kampfsport oder Krafttraining betreiben. 61 Prozent tragen bei den Ausschreitungen nie einen Mundschutz. Von denen, die aber einen Mundschutz tragen, haben 51 Prozent eine individuelle Anfertigung. 86 Prozent aller Befragten haben sich bei Hooligan-Gewalteskalationen schon Zahnverletzungen zugezogen. Brisant: 13 der 95 Hooligans, also jeder siebte, hat einen Hochschulabschluss oder studiert. Dominique Rais

Chronologie der Gewalt: Fünf der schlimmsten Vorfälle in der Schweiz

Die Schande von Basel

Am 13. Mai 2006 wird im St.-Jakob-Stadion in Basel eines der wohl dunkelsten Kapitel der Schweizer Fussball-Geschichte geschrieben: die Schande von Basel. Im Joggeli spielt der FC Basel gegen den FC Zürich. 90 Minuten sind gespielt. Es steht 1:1. Der Meisterpokal ist für den FCB zum Greifen nahe. Doch dann, die 93. Minute: Einwurf für den FCZ, Flanke in die Mitte, Tor! Der FCZ gewinnt. Eine bittere Pille für den FCB. Dutzende Basel-Fans stürmen aus der Muttenzerkurve auf den Rasen. Petarden werden gezündet, FCZ-Spieler attackiert. Die Polizei greift zu Tränengas und Gummischrot. Die Situation eskaliert. Die traurige Bilanz: 115 Verletzte und über 400'000 Franken Sachschaden.

Die Schlacht von Aarau

15. Mai 2014: In Aarau kommt es nach dem Abpfiff des Super-League-Spiels zwischen dem FC Basel und dem FC Aarau zur «Schlacht von Aarau». Trotz des 3:1-Siegs und somit dem fünften Meistertitel in Folge stürmen teilweise vermummte Basler Chaoten den Rasen. Das Stadion Brügglifeld wird zum Schlachtfeld. Rauchpetarden werden gezündet, Aarau-Fans angegriffen. Die Situation zwischen den Chaoten der beiden gegnerischen Mannschaften spitzt sich derart zu, dass die Polizei, die sonst nur ausserhalb der Stadien für Recht und Ordnung sorgt, eingreifen muss. Gummischrot wird abgefeuert. Bei den Krawallen wurden mehrere Personen verletzt, zudem entstand beträchtlicher Sachschaden.

Das Katakomben-Chaos von Zürich

25. Mai 2016: Ein schwarzer Tag für den FC Zürich. Trotz des 3:1-Siegs gegen Vaduz (Li) steigt der Stadtzürcher Fussballklub erstmals seit 26 Jahren ab. Enttäuschung und Wut machen sich breit. Rund 60 vermummte FCZ-Ultras stürmen die Katakomben im Letzigrund. Ausnahmezustand! Die FCZ-Spieler verbarrikadieren sich in der Kabine. Der damalige FCZ-Trainer Uli Forte (45) ergreift die Flucht. Die FCZ-Fans lassen ihrem Frust freien Lauf, randalierten daraufhin in der Zürcher Innenstadt.

Krawall beim Cupfinal von Bern

27. Mai 2018: Der FC Zürich gewinnt im Stade de Suisse in Bern 2:1 gegen die Young Boys. Doch der Cup-Sieg der Zürcher wird von wüsten Szenen abseits des Spielfelds überschattet. Ultras aus beiden Lagern randalieren in der Stadt, zünden Pyros und Petarden. Es gibt mehrere Verletzte. Zudem überfallen FCZ-Chaoten eine Coop-Tankstelle. Sachschaden und Deliktsumme belaufen sich auf mehrere Tausend Franken.

Die Schande von Luzern

20. Mai 2019: Spielabbruch in der Swissporarena! Das Fussballmatch zwischen dem Grasshopper Club Zürich und dem FC Luzern muss in der 67. Minute abgebrochen werden. Es steht 4:0 – der Abstieg des GC ist unausweichlich. «Die Schande von Luzern» nimmt ihren Lauf. Bei den GC-Ultras brennen die Sicherungen durch – einmal mehr. Sie stürmen das Feld, angeführt vom bekannten GC-Neonazi-Ultra und Rädelsführer Stefan N.*. Dominique Rais

* Name bekannt

Die Schande von Basel

Am 13. Mai 2006 wird im St.-Jakob-Stadion in Basel eines der wohl dunkelsten Kapitel der Schweizer Fussball-Geschichte geschrieben: die Schande von Basel. Im Joggeli spielt der FC Basel gegen den FC Zürich. 90 Minuten sind gespielt. Es steht 1:1. Der Meisterpokal ist für den FCB zum Greifen nahe. Doch dann, die 93. Minute: Einwurf für den FCZ, Flanke in die Mitte, Tor! Der FCZ gewinnt. Eine bittere Pille für den FCB. Dutzende Basel-Fans stürmen aus der Muttenzerkurve auf den Rasen. Petarden werden gezündet, FCZ-Spieler attackiert. Die Polizei greift zu Tränengas und Gummischrot. Die Situation eskaliert. Die traurige Bilanz: 115 Verletzte und über 400'000 Franken Sachschaden.

Die Schlacht von Aarau

15. Mai 2014: In Aarau kommt es nach dem Abpfiff des Super-League-Spiels zwischen dem FC Basel und dem FC Aarau zur «Schlacht von Aarau». Trotz des 3:1-Siegs und somit dem fünften Meistertitel in Folge stürmen teilweise vermummte Basler Chaoten den Rasen. Das Stadion Brügglifeld wird zum Schlachtfeld. Rauchpetarden werden gezündet, Aarau-Fans angegriffen. Die Situation zwischen den Chaoten der beiden gegnerischen Mannschaften spitzt sich derart zu, dass die Polizei, die sonst nur ausserhalb der Stadien für Recht und Ordnung sorgt, eingreifen muss. Gummischrot wird abgefeuert. Bei den Krawallen wurden mehrere Personen verletzt, zudem entstand beträchtlicher Sachschaden.

Das Katakomben-Chaos von Zürich

25. Mai 2016: Ein schwarzer Tag für den FC Zürich. Trotz des 3:1-Siegs gegen Vaduz (Li) steigt der Stadtzürcher Fussballklub erstmals seit 26 Jahren ab. Enttäuschung und Wut machen sich breit. Rund 60 vermummte FCZ-Ultras stürmen die Katakomben im Letzigrund. Ausnahmezustand! Die FCZ-Spieler verbarrikadieren sich in der Kabine. Der damalige FCZ-Trainer Uli Forte (45) ergreift die Flucht. Die FCZ-Fans lassen ihrem Frust freien Lauf, randalierten daraufhin in der Zürcher Innenstadt.

Krawall beim Cupfinal von Bern

27. Mai 2018: Der FC Zürich gewinnt im Stade de Suisse in Bern 2:1 gegen die Young Boys. Doch der Cup-Sieg der Zürcher wird von wüsten Szenen abseits des Spielfelds überschattet. Ultras aus beiden Lagern randalieren in der Stadt, zünden Pyros und Petarden. Es gibt mehrere Verletzte. Zudem überfallen FCZ-Chaoten eine Coop-Tankstelle. Sachschaden und Deliktsumme belaufen sich auf mehrere Tausend Franken.

Die Schande von Luzern

20. Mai 2019: Spielabbruch in der Swissporarena! Das Fussballmatch zwischen dem Grasshopper Club Zürich und dem FC Luzern muss in der 67. Minute abgebrochen werden. Es steht 4:0 – der Abstieg des GC ist unausweichlich. «Die Schande von Luzern» nimmt ihren Lauf. Bei den GC-Ultras brennen die Sicherungen durch – einmal mehr. Sie stürmen das Feld, angeführt vom bekannten GC-Neonazi-Ultra und Rädelsführer Stefan N.*. Dominique Rais

* Name bekannt

Diese Massnahmen hat der FC Basel seither getroffen

Elf Verletzte und über 100'000 Franken Sachschaden: Nach den Krawallen vom 10. April 2016 hat der FC Basel Massnahmen getroffen, um derartige Gewalteskalationen in seiner Heimstätte zu verhindern. «Die Videoüberwachung im Bereich Muttenzerkurve/Eventplattform wurde erneuert und zusätzliche Kameras wurden installiert», sagt FCB-Sicherheitschef Beat Meier zu BLICK.

Zudem sei der Dialog mit den Fans «weiter intensiviert» worden, da dieser laut Meier die wichtigste Massnahme in der Gewaltprävention ist. «Die Zahl der verhängten Rayon- und Stadionverbote ist rückläufig und war noch nie so tief wie heute», sagt Meier. Um fehlbare Personen zur Rechenschaft zu ziehen, befinde sich der FCB immer in engem Austausch mit der Polizei.

Neu wurde ausserdem auf der Eventplattform die «Plattform-Bar», die von Fans für Fans betrieben wird, errichtet. Sie soll laut Meier eine friedliche Atmosphäre schaffen und den Austausch zwischen FCB-Fans aus allen Bereichen des Stadions fördern. Gestern Sonntag wurde die Plattform-Bar beim Heimspiel des FCB gegen den FC St. Gallen eröffnet. Dominique Rais

FCB-Sicherheitschef Beat Meier

Elf Verletzte und über 100'000 Franken Sachschaden: Nach den Krawallen vom 10. April 2016 hat der FC Basel Massnahmen getroffen, um derartige Gewalteskalationen in seiner Heimstätte zu verhindern. «Die Videoüberwachung im Bereich Muttenzerkurve/Eventplattform wurde erneuert und zusätzliche Kameras wurden installiert», sagt FCB-Sicherheitschef Beat Meier zu BLICK.

Zudem sei der Dialog mit den Fans «weiter intensiviert» worden, da dieser laut Meier die wichtigste Massnahme in der Gewaltprävention ist. «Die Zahl der verhängten Rayon- und Stadionverbote ist rückläufig und war noch nie so tief wie heute», sagt Meier. Um fehlbare Personen zur Rechenschaft zu ziehen, befinde sich der FCB immer in engem Austausch mit der Polizei.

Neu wurde ausserdem auf der Eventplattform die «Plattform-Bar», die von Fans für Fans betrieben wird, errichtet. Sie soll laut Meier eine friedliche Atmosphäre schaffen und den Austausch zwischen FCB-Fans aus allen Bereichen des Stadions fördern. Gestern Sonntag wurde die Plattform-Bar beim Heimspiel des FCB gegen den FC St. Gallen eröffnet. Dominique Rais

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