Prozess
Waadtländer Umweltaktivisten rechtfertigen ihr Handeln vor Gericht

Zehn Monate nach der Auflösung des Protest-Lagers auf dem Hügel Mormont bei Eclépens VD haben zwei Umweltaktivisten am Montag vor Gericht ihr Handeln gerechtfertigt. Dabei kreuzten sie und ihre Anwälte die Klingen mit dem Staatsanwalt und kritisierten diesen scharf.
Publiziert: 17.01.2022 um 11:04 Uhr
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Aktualisiert: 20.01.2022 um 11:59 Uhr
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Einer der Angeklagten verlässt das Gericht nach dem ersten Prozesstag in Nyon.
Foto: LAURENT GILLIERON

Zum Abschluss einer der beiden Anhörungen vor dem Bezirksgericht in Nyon wandte sich der Angeklagte direkt an den Staatsanwalt Eric Cottier, der an diesem Eröffnungstag zur Unterstützung der Anklage gekommen war. Er prangerte die «Verbissenheit» des Chefs der Staatsanwaltschaft an, Aktivisten bestrafen zu wollen, die versuchten, die Öffentlichkeit auf die ökologische Krise aufmerksam zu machen.

Die Besetzer des Mormont-Hügels, die sich der Erweiterung des Steinbruchs des Zementherstellers Holcim widersetzten, würden auf die Probleme des Betons und des kapitalistischen Systems hinweisen, sagte der Angeklagte. «Das Privateigentum eines multinationalen Unternehmens ist für Sie wichtiger als die ökologischen Schäden», sagte der Aktivist zu Generalstaatsanwalt Cottier.

Dieser entgegnete, dass er nichts gegen die Besetzer des Geländes habe, aber dass das Recht angewendet werden müsse. So forderte er den Richter Daniel Stoll auf, sich «an die rein strafrechtlichen Fragen» zu halten, ohne einen politischen Prozess führen zu wollen. «Es ist nicht Sache des Gerichts, zu entscheiden , was auf dem Mormont geschehen soll», sagte er.

Cottier forderte die Beibehaltung der Strafbefehle, die unmittelbar nach der Räumung des Mormont-Hügels Ende März vergangenen Jahres erlassen wurden und die Aktivisten unter anderem mit unbedingten Gefängnisstrafen belegen. In den am Montag verhandelten Fällen handelte es sich jeweils um Strafen von zwei Monaten.

Cottier erklärte, dass diese Sanktionen insbesondere durch das Verhalten der Besetzter diktiert worden seien, von denen sich die meisten geweigert hätten, zu kooperieren und zunächst auch ihre Identität preiszugeben. «Man hat das Recht zu schweigen, aber das bleibt nicht ohne Folgen», betonte er.

Die Verteidigung plädierte ihrerseits auf Freispruch oder zumindest auf eine Geldstrafe «in symbolischer Höhe». Die Anwältin Saskia von Fliedner kritisierte insbesondere den «krassen Rechtsbruch» der Staatsanwaltschaft, die den Rückzug der Klage von Holcim nicht berücksichtigt habe. Ihrer Ansicht nach kann der Tatbestand des Hausfriedensbruchs somit nicht erfüllt werden.

Dies sei umso mehr der Fall, weil ihr Mandant das verlassene Haus auf dem Mormont-Hügel nicht besetzt hatte. «Er hing passiv an einem Seil am Waldrand und leistete bei seiner Festnahme durch die Polizei keinen Widerstand», argumentierte Von Fliedner.

Der andere Anwalt des Angeklagten, Gaspard Genton, betonte den Schutz der Versammlungs- und Meinungsfreiheit. «Das sind grundlegende Rechte. Eine friedliche Demonstration wie diese darf nicht mit einer strafrechtlichen Sanktion belegt werden, schon gar nicht mit einer Gefängnisstrafe. Das würde grob gegen das internationale Recht verstossen», argumentierte er. Das Urteil wird am nächsten Montag erwartet.

Bis Mittwoch werden sich fünf weitere Angeklagte vor Gericht verantworten müssen. Diese sieben verschiedenen Anhörungen, die jeweils auf einen halben Tag angesetzt sind, sind die ersten einer langen Reihe. Rund 40 weitere Aktivisten werden zu einem späteren Zeitpunkt vor Gericht gestellt.

Am Rande der ersten drei Prozesstage hat das Kollektiv zur Unterstützung der Besetzer mehrere Aktionen in der Stadt Nyon geplant. Am Montagmorgen verfolgten rund hundert Personen vor dem Gericht ein Theaterstück über einen «Scheinprozess». Am Abend fand eine Kundgebung in Nyon statt.

(SDA)

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