Der Präsident, Nationalrat Martin Bäumle (GLP), liess die Spender zudem absichtlich mehrere Monate im Ungewissen, um die Reputation der Organisation nicht zu schädigen.
«Wir hatten nie Einnahmen in Höhe von 14 Millionen Franken», musste Martin Bäumle am Donnerstag vor den Medien einräumen. Diese Zahl sei, wie viele andere Angaben, gefälscht. Tatsächlich bewegt sich der Umsatz bei nur 3 bis 4 Millionen Franken pro Jahr.
Urheberin der aufgebauschten Angabe war die Geschäftsführerin. Sie wurde mittlerweile entlassen und hat eine Strafanzeige wegen ungetreuer Geschäftsführung am Hals.
Über mehrere Jahre hatte sie es geschafft, die Umweltorganisation viel grösser aussehen zu lassen als sie eigentlich war. Das Hilfswerk lebte also über seine Verhältnisse. Wann die Bilanzfälschung anfing, ist nicht klar. Laut Bäumle vielleicht schon 2015. Aber das könne man nicht mehr rekonstruieren.
«Es waren bewusste Manipulationen», sagte er weiter. «Extrem geschickt getarnt.» Auch die Revisionsstelle sei nicht misstrauisch geworden. Immerhin: Die Spenden wurden nicht abgezweigt und flossen nicht in die privaten Taschen der Geschäftsführerin.
Dennoch profitierte sie von den falschen Zahlen, denn Green Cross hatte ein Bonussystem. Je mehr Umsatz Green Cross machte, desto höher fiel der Bonus der Geschäftsleiterin aus.
«In Zukunft wird es das nicht mehr geben», kündigte Bäumle an. Ein solches System setze falsche Anreize. Eingeführt wurde es von Bäumles Vor-Vorgänger. Der GLP-Nationalrat führte es jedoch weiter.
Schon vor zwei Jahren rügte die Zertifizierungsstelle Zewo die mangelnde Transparenz bei Green Cross. Diese drohte damit, das Gütesiegel abzuerkennen, sollte die Organisation nicht Ordnung schaffen. Im Juni 2018 erhielt die Geschäftsführerin Unterstützung, um endlich Ordnung zu schaffen - doch es gab keine Verbesserung.
«Wir ahnten, dass wir überschuldet sind», sagte Bäumle weiter. Schliesslich wurde die Frau entlassen, worauf ihre kreative Buchführung ans Licht kam.
Die Öffentlichkeit und die Spender wurden damals bewusst nicht über die Ungereimtheiten informiert. «Das war eine schwierige Güterabwägung. Aber solche Schlagzeilen wären fatal gewesen.» Ein Konkurs hätte gemäss Bäumle niemandem geholfen.
Publik wurde das Debakel nun doch noch, weil eine interne E-Mail an den «Beobachter» gelangte. Mittlerweile stehe Green Cross aber wieder gut da, betonte Bäumle. «Die Liquidität ist wieder da.»
Green Cross werde weitermachen, wenn auch auf tieferem Niveau, kündigte Bäumle an. Für dieses Jahr sind medizinische Projekte in Russland, Weissrussland, der Ukraine und Vietnam geplant.
Er ist überzeugt, dass die Spender weiterhin Geld überweisen. «Wir haben das Beste gemacht, um diese Organisation zu retten. Aber natürlich, es rückt uns nicht ins beste Licht.»
Green Cross International wurde 1993 von Michail Gorbatschow, dem letzten Präsidenten der Sowjetunion, gegründet. Die Organisation engagiert sich weltweit für die Bewältigung von Folgeschäden aus Industriekatastrophen wie Tschernobyl und für die Sanierung militärischer Altlasten aus der Zeit des Kalten Krieges.
Green Cross ist in 27 Ländern vertreten. Der Schweizer Ableger mit Sitz in Zürich hat rund 50'000 Gönnerinnen und Gönner - bis jetzt zumindest.
(SDA)