Amok-Fahrt in Münster (D)
Jens R. (†48) hinterlässt 92-seitigen Jammer-Brief

In Münster (D) fuhr ein Minivan in eine Menschenmenge. Zwei Menschen starben, 20 wurden verletzt. Danach richtete sich der Fahrer selbst. Die Polizei ermittelt derzeit in alle Richtungen, Terror wird derzeit ausgeschlossen.
Publiziert: 07.04.2018 um 16:34 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 20:55 Uhr
Keine Hinweise auf politisches Motiv
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Amokfahrt in Münster:Keine Hinweise auf politisches Motiv

Nach der tödlichen Amokfahrt eines Deutschen mit einem Campingbus im nordrhein-westfälischen Münster haben die Ermittler «keine Hinweise auf einen politischen Hintergrund» der Tat. Jens R. (†48) tötete gestern Samstag zwei Menschen und erschoss sich anschliessend selbst. Er soll psychische Probleme gehabt haben.

Es werde davon ausgegangen, «dass die Motive und Ursachen in dem Täter selber liegen», sagte Münsters Polizeipräsident Hajo Kuhlisch heute Sonntag.

Der deutschen Nachrichtenseite bild.de liegt ein 92-seitiges Schreiben vor, das Jens R. wenige Tage vor der Tat an Bekannte und Familienmitglieder verschickte. Darin beklagte er sich darüber, dass sich Nachbarn, Freunde, Geschäftspartner und vor allem seine Eltern gegen ihn verschworen hätten.

Wegen Misshandlungen durch seine Eltern zum Beispiel sei er impotent geworden, zitiert die Nachrichtenseite Jens R. aus dem Brief. Er habe nie Gefühle für Frauen entwickeln oder Geschlechtsverkehr haben können. Ausserdem hätten ihn seine eigenen Freunde bespitzelt.

Berichte über Kontakte zu Rechtsextremen

Nach der Tat gab es auch Berichte über angebliche Kontakte von Jens R. in die rechtsextreme Szene. Kuhlisch sagte, der Mann habe über insgesamt vier Wohnungen - zwei in Münster und zwei in Ostdeutschland - verfügt. Zudem habe der 48-Jährige mehrere Fahrzeuge besessen.

Laut Staatsanwaltschaft liefen gegen den Mann 2015 und 2016 mehrere Verfahren, etwa wegen Bedrohung und Sachbeschädigung. Die Verfahren wurden jedoch alle eingestellt. Es habe «keine Anhaltspunkte auf eine stärkere kriminelle Intensität».

Andeutungen über Selbstmordabsichten

Nach Informationen der Nachrichtenagentur AFP kündigte der Mann Ende März in einer E-Mail an Bekannte einen möglichen Suizid an. Es soll seit 2015 Vorfälle in der Familie des Täters gegeben haben, die mit dessen «offenkundiger psychischer Erkrankung» zusammenhingen.

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In Münster fuhr ein Auto in eine Menschenmenge.

Jens R. raste in der Münsteraner Altstadt mit seinem Fahrzeug in eine Restaurantterrasse. Eine 51-jährige Frau und ein 65-jähriger Mann wurden getötet. Jens R. erschoss sich in seinem Campingbus. Etwa 20 Menschen wurden verletzt, einige von ihnen lebensgefährlich.

Die Attacke weckt Erinnerungen an den Anschlag auf den Weihnachtsmarkt vom Berliner Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016. Der Tunesier Anis Amri tötete damals mit einem Lastwagen zwölf Menschen und verletzte fast 70 weitere.

Keine Hinweise auf islamistischen Hintergrund

Es spreche «im Moment nichts dafür, dass es irgendeinen islamistischen Hintergrund gibt», sagte Nordrhein-Westfalens Innenministers Herbert Reul (CDU) nach dem Drama in Münster noch am Samstag. Heute Sonntag besuchte er zusammen mit dem deutschen Innenminister Horst Seehofer (CSU), Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet und Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe (beide CDU) den Tatort.

Seehofer sagte danach, die Tat zeige, «dass bei allen Bemühungen einer staatlichen Gemeinschaft leider eine absolute Sicherheit nicht möglich ist». Der Staat müsse aber weiterhin «alles tun, um solche Verbrechen in der Zukunft zu mindern oder vielleicht sogar zu verhindern». Reul bekräftigte, dass der Amokfahrer von Münster «mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Einzeltäter» gewesen sei.

Laschet sicherte den Opfern und ihren Angehörigen die Unterstützung des Landes zu. Es sei nun wichtig, «nicht nur den Täter, sondern auch die Opfer, die allzu oft vergessen werden, in den Blick» zu nehmen.

Polizei entdeckt Kalaschnikow in Wohnung

Das Tatfahrzeug wurde untersucht. Mehrere verdächtige Drähte wurden enteckt. Experten gaben später jedoch Entwarnung. Bei der Durchsuchung des Campingbusses wurden neben der Tatwaffe eine Schreckschusswaffe und rund ein Dutzend Feuerwerkskörper gefunden. In einer Wohnung des Täters entdeckten die Ermittler weitere Knallkörper und eine unbrauchbar gemachte Kalaschnikow.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich «zutiefst erschüttert» über die «schrecklichen Geschehnisse» in Münster. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach von einer «schweren Gewalttat» und sprach den Betroffenen sein Beileid aus.

«Wir trauern mit Münster», erklärte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron erklärte: «All meine Gedanken sind bei den Opfern des Angriffs von Münster.» Die US-Regierung verurteilte die «feige Attacke». (SDA/noo)

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