Grossbritannien
Zitterpartie in Grossbritannien: Wer geht als Wahlsieger hervor?

Mehr als drei Jahre nach dem Brexit-Referendum wählen die Briten wieder ein neues Parlament - zum dritten Mal in weniger als fünf Jahren. Umfragen sahen den konservativen Premierminister Boris Johnson vorn. Allerdings braucht der Brexit-Vorkämpfer eine klare Mehrheit.
Publiziert: 12.12.2019 um 12:22 Uhr
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Aktualisiert: 12.12.2019 um 19:30 Uhr
Premierminister Boris Johnson gab seine Stimme zusammen mit seinem Hund Dilyn ab.
Foto: Frank Augstein

Bisher war es nicht möglich, die Brexit-Pläne im völlig zerstrittenen Parlament durchzubekommen. Johnson führt derzeit eine Minderheitsregierung an.

Die Wahllokale sollten am Donnerstagabend um 23.00 Uhr MEZ schliessen. Unmittelbar danach wurden erste Prognosen nach Wählerbefragungen erwartet. In London berichteten Wähler von ungewöhnlich langen Schlangen vor mehreren Wahllokalen. Demonstrationen vor dem Unterhaus, die es etwa bei wichtigen Brexit-Abstimmungen gibt, blieben am Donnerstag aus.

In Bermondsey and Old Southwark sagte ein 27-Jähriger: «Für viele ist es eben die Wahl unseres Lebens.» Andere waren sehr besorgt: «Ich finde, man kann die Wahl zwischen Boris Johnson und Jeremy Corbyn mit der Abstimmung damals in den USA über Donald Trump und Hillary Clinton vergleichen: Beide sind Teufel», sagte ein Brite, der in der Nähe des Londoner Parlaments arbeitet.

Die grösste Oppositionspartei Labour konnte zuletzt in Umfragen deutlich zulegen. Vor allem in Mittel- und Nordengland liefern sich die Konservativen und die Labour-Partei um Corbyn ein enges Rennen. Brexit-Gegner hatten hier zum taktischen Wählen gegen konservative Kandidaten aufgerufen.

Das Mehrheitswahlrecht in Grossbritannien kennt nur Direktmandate. Ins Parlament ziehen die Kandidaten mit den jeweils meisten Stimmen in einem der 650 Wahlkreise ein - egal wie knapp ihr Sieg war. Die Stimmen für unterlegene Kandidaten verfallen. Das macht es sehr schwer, aus landesweiten Umfrageergebnissen auf die mögliche Sitzverteilung im Parlament zu schliessen.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass es zu einem «hung parliament» kommt, einer Sitzverteilung, die keiner der beiden grossen Parteien eine Regierungsbildung mit eigener Mehrheit ermöglicht.

Dann wäre sogar eine Minderheitsregierung mit Corbyn als Premier denkbar. Der 70-Jährige will den Brexit verschieben, um ein eigenes Abkommen auszuhandeln. Über den Deal sollen die Briten dann in einem zweiten Referendum abstimmen. Die Alternative wäre ein Verbleib in der EU.

Johnson und Corbyn sind bei den Wählern nicht besonders populär. Viele Briten stufen den Premierminister, der den Brexit zum 31. Januar durchziehen will, nicht als vertrauenswürdig ein. Corbyn, der vor allem auf soziale Themen wie Gesundheit und Bildung setzt, hat sich lange Zeit nicht klar zum Brexit positioniert. Ausserdem wird ihm und seiner Partei eine feindliche Haltung gegen Juden vorgeworfen.

Die Konservativen sind seit 2010 an der Regierung. 2016 votierten die Briten bei einem Referendum mit knapper Mehrheit von 51,89 Prozent für einen EU-Austritt. Schottland und Nordirland wollten hingegen in der EU bleiben. Johnson war einer der prominentesten Brexit-Befürworter.

Wahlforscher hatten zuletzt nur noch einen Vorsprung von 28 Mandaten für die Konservativen vor den anderen Parteien vorausgesagt. Dann kämen sie auf 339 von 650 Sitzen. Für die grossangelegte Erhebung im Auftrag der Tageszeitung «The Times» wurden mehr als 100'000 Menschen über einen Zeitraum von sieben Tagen einschliesslich Dienstag befragt. Nach einer Umfrage zwei Wochen früher konnte Johnson noch mit einem Vorsprung von 68 Abgeordneten rechnen.

(SDA)

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