Brexit-Chaos
Schottisches Gericht erklärt Parlaments-Zwangspause für «illegal»

Ein schottisches Gericht erklärt die Zwangspause für «null und nichtig». Die Regierung will das Urteil umgehend anfechten. Unklarheit herrschte zunächst darüber, ob die Abgeordneten ihre Sitzungen direkt wieder aufnehmen können.
Publiziert: 11.09.2019 um 11:49 Uhr
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Aktualisiert: 17.09.2019 um 09:45 Uhr
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Am Dienstag hatte das Parlament seine letzte Sitzung vor der fünfwöchigen Zwangspause.
Foto: DUKAS

Ein schottisches Berufungsgericht hat die von Premierminister Boris Johnson auferlegte fünfwöchige Zwangspause des britischen Parlaments für unrechtmässig erklärt. Das teilte der Court of Session am Mittwoch in Edinburgh mit.

Zwangspause mit unlauteren Absichten

Johnsons Ratschlag an Königin Elizabeth II., das Parlament vorübergehend zu schliessen, sei mit der Absicht erfolgt, die Parlamentarier im Brexit-Streit kaltzustellen, so die Richter. Die Zwangspause sei daher «null und nichtig». Unklar war zunächst, ob die Abgeordneten nun sofort ihre Sitzungen wieder aufnehmen können. Die Abgeordneten sollen eigentlich erst am 14. Oktober wieder zusammenkommen.

Geklagt hatten etwa 75 Parlamentarier. Sie sehen in der von Johnson erwirkten wochenlangen Schliessung des Unterhauses vor dem am 31. Oktober anstehenden EU-Austritt des Landes eine unzulässige Einschränkung des Parlaments. Ähnliche Klagen wurden auch vor Gerichten im nordirischen Belfast und in London eingereicht.

Regierung will Urteil anfechten

Die Regierung zeigte sich «enttäuscht» und kündigte Berufung vor dem obersten britischen Gericht, dem Supreme Court in London, an.

Die Schottische Nationalpartei (SNP) bezeichnete die Entscheidung dagegen als «grossartige Neuigkeit». SNP-Fraktionschef Ian Blackford schrieb im Kurznachrichtendienst Twitter an Boris Johnson gerichtet: «Sie haben undemokratisch gehandelt und müssen das Parlament (aus der Zwangspause) zurückrufen.»

Der Brexit-Experte der oppositionellen Labour-Partei, Keir Starmer, sagte auf einem Kongress im südenglischen Brighton: «Ich muss zurück zu den anderen, um zu sehen, ob wir die Türen (des Parlaments) wieder öffnen und Boris Johnson zur Verantwortung ziehen können.» Luciana Berger von den proeuropäischen Liberaldemokraten schrieb auf Twitter von einer «bedeutenden Entscheidung».

Jetzt muss der Supreme Court entscheiden

Eine Klage in erster Instanz vor dem Court of Session in Schottland war zunächst gescheitert. Auch der High Court in London hatte eine ähnliche Klage zunächst abgewiesen. Eine endgültige Entscheidung dürfte nun das oberste Gericht in Grossbritannien, der Supreme Court, treffen. Eine mehrtägige Anhörung war Berichten zufolge vom 17. September an vorgesehen.

Zwangspause seit Montag in Kraft

Die Parlamentsschliessung war in der Nacht zum Dienstag wirksam geworden, bei der Zeremonie war es zu tumultartigen Szenen im Unterhaus gekommen. Abgeordnete der Opposition hielten Protestnoten mit der Aufschrift «Zum Schweigen gebracht» hoch und skandierten «Schande über Euch» in Richtung der Regierungsfraktion.

Parlamentspräsident John Bercow sprach von einem «Akt exekutiver Ermächtigung». Labour-Chef Jeremy Corbyn warf Johnson vor, er schliesse das Parlament, um keine Rechenschaft mehr ablegen zu müssen.

Parlament kämpft gegen Johnsons Brexit-Kurs

Damit setzt sich Johnsons Niederlagen-Serie fort. Zuvor war er unter anderem zwei Mal mit einem Antrag auf Neuwahl gescheitert. Es gibt damit keine Möglichkeit mehr für eine vorgezogene Wahl vor dem geplanten Brexit-Datum.

Die Abgeordneten hatten zudem im Eilverfahren ein Gesetz durch beide Kammern des Parlaments gepeitscht. Das Gesetz sieht vor, dass der Premierminister eine Verlängerung der Brexit-Frist beantragen muss, sollte bis zum 19. Oktober kein Austrittsabkommen ratifiziert sein. Johnson lehnt das jedoch strikt ab.

An diesem Donnerstag wollte EU-Chefunterhändler Michel Barnier die Fraktionsvorsitzenden des Parlaments über den Stand der Gespräche mit London informieren. (SDA)

Der Brexit-Fahrplan: Was kommt als nächstes?

Wenige Wochen vor dem geplanten EU-Austritt Grossbritanniens am 31. Oktober geht das Ringen um den Brexit in die heisse Phase. Diese Termine lassen sich absehen:

  • 24. September
    Entscheid des Supreme Courts über die Zwangspause der Parlaments.
     
  • 25. September
    Nach dem höchstrichterlichen Urteil in Grossbritannien gegen die von der Regierung verfügte fünfwöchige Zwangspause des Parlaments kommen die Abgeordneten früher wieder zusammen.
     
  • Expertengespräche Grossbritanniens mit der EU über Änderungen am Austrittsvertrag in Brüssel.
     
  • 29. September bis 2. Oktober
    Parteitag der regierenden britischen Konservativen in Manchester.
     
  • 15. Oktober
    In Luxemburg wollen die verbliebenen 27 EU-Länder auf Ministerebene über den Brexit beraten
     
  • 17. und 18. Oktober
    EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs.
     
  • 19. Oktober
    Frist im Gesetz gegen No-Deal-Brexit läuft ab. Sollte bis dahin kein Austrittsabkommen ratifiziert sein, muss der britische Premierminister eine Verschiebung des Brexits beantragen.
     
  • 31. Oktober
    Voraussichtlich letzter Tag der britischen EU-Mitgliedschaft.

(SDA)

 

Wenige Wochen vor dem geplanten EU-Austritt Grossbritanniens am 31. Oktober geht das Ringen um den Brexit in die heisse Phase. Diese Termine lassen sich absehen:

  • 24. September
    Entscheid des Supreme Courts über die Zwangspause der Parlaments.
     
  • 25. September
    Nach dem höchstrichterlichen Urteil in Grossbritannien gegen die von der Regierung verfügte fünfwöchige Zwangspause des Parlaments kommen die Abgeordneten früher wieder zusammen.
     
  • Expertengespräche Grossbritanniens mit der EU über Änderungen am Austrittsvertrag in Brüssel.
     
  • 29. September bis 2. Oktober
    Parteitag der regierenden britischen Konservativen in Manchester.
     
  • 15. Oktober
    In Luxemburg wollen die verbliebenen 27 EU-Länder auf Ministerebene über den Brexit beraten
     
  • 17. und 18. Oktober
    EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs.
     
  • 19. Oktober
    Frist im Gesetz gegen No-Deal-Brexit läuft ab. Sollte bis dahin kein Austrittsabkommen ratifiziert sein, muss der britische Premierminister eine Verschiebung des Brexits beantragen.
     
  • 31. Oktober
    Voraussichtlich letzter Tag der britischen EU-Mitgliedschaft.

(SDA)

 

Brexit-News

Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU. Seitdem findet ein langwieriger Prozess der Kompromissfindung zwischen britischer Politik und der EU statt. Am 31. Januar 2020 treten die Briten offiziell aus der EU aus. Behalten Sie den Überblick im Brexit-Chaos mit dem Newsticker von Blick.ch.

Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU. Seitdem findet ein langwieriger Prozess der Kompromissfindung zwischen britischer Politik und der EU statt. Am 31. Januar 2020 treten die Briten offiziell aus der EU aus. Behalten Sie den Überblick im Brexit-Chaos mit dem Newsticker von Blick.ch.

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