Die angedrohte Parteirevolte gegen die britische Premierministerin Theresa May bleibt vorerst aus. Das einflussreiche 1922-Komitee der Konservativen Partei setzt seine Drohung, ein neues Misstrauensvotum gegen May durchzusetzen, zunächst nicht um. Das ging aus einer Einigung mit May nach einem Gespräch am Donnerstag hervor.
Gleichzeitig bekräftigte einer der schärfsten Kritiker Mays, der frühere Aussenminister Boris Johnson, dass er sich um ihr Amt bewerben wolle. Formal geht es immer um den Parteivorsitz, aber die Chefs der Regierungsparteien werden nach den britischen Gepflogenheiten immer auch Regierungschefs.
«Natürlich werde ich mich bewerben», sagte der Brexit-Hardliner Johnson, der sich wochenlang zurückgehalten hatte, am Donnerstag am Rande einer Rede in Manchester auf die Frage, ob er bei einem Rücktritt Mays für das Amt des Parteichefs kandidiere. «Das dürfte kein Geheimnis sein.»
May schiebt Schuld dem Parlament zu
Die Regierung sei in den Brexit-Verhandlungen mit Brüssel nicht sehr dynamisch gewesen. Er habe endlosen Appetit, «dem Land auf den richtigen Weg zu helfen», sagte Johnson. Neben ihm haben schon zahlreiche andere Politiker der Konservativen Partei ihr Interesse bekundet.
May wird für das Versagen der Regierung verantwortlich gemacht, den Brexit, den Austritt aus der Europäischen Union, wie versprochen bis 29. März 2019 zu vollziehen. Sie selbst schiebt dem Parlament die Schuld zu. Sie hat nur eine hauchdünne Mehrheit, und zahlreiche Konservative haben drei Mal mit der Opposition gegen das von ihr mit der EU ausgehandelte Austrittsabkommen gestimmt. Eine Alternative ist nicht auf dem Tisch.
May vereinbarte mit der EU eine neue Brexit-Frist bis 31. Oktober. Sie will den EU-Austritt aber vor der Sommerpause vollziehen.
Das 1922-Komitee hatte vor dem Gespräch mit May einen klaren Zeitplan für ihren Rücktritt verlangt. Nun hiess es, man werde sich nach der Anfang Juni geplanten Abstimmung über das Gesetz zur Umsetzung des Brexit-Abkommens erneut treffen, «damit wir uns auf einen Zeitplan zur Wahl eines neuen Chefs der Konservativen Partei einigen», wie der Vorsitzende des Gremiums, Sir Graham Brady, mitteilte.
Mitglieder des 1922-Gremiums hatten angesichts des schlechten Ansehens Mays in der eigenen Partei und alarmierender Umfragewerte mit einem neuen parteiinternen Misstrauensvotum gedroht. Dafür müssten die Parteiregeln geändert werden, was in der Befugnis des Gremiums liegt. Sie erlauben bislang pro Jahr nur ein Misstrauensvotum.
Premierministerin stellt Rücktritt in Aussicht
Da May eine Abstimmung am 12. Dezember 2018 gewonnen hatte, ist sie eigentlich bis Dezember 2019 unantastbar. Das Komitee wurde von 1922 gewählten Abgeordneten gegründet, die damit die innerparteiliche Zusammenarbeit verbessern wollten.
May hatte aber selbst einen Rücktritt in Aussicht gestellt, sobald das Parlament ihrem Brexit-Abkommen zustimmt. Mit einem politischen Schachzug will sie es nach den drei Niederlagen in der ersten Juni-Woche erneut versuchen. Dann sollen die Parlamentarier nicht über das Abkommen selbst, sondern über das Gesetz zur Umsetzung des Abkommens abstimmen.
May hofft dabei auf Unterstützung der Labour-Opposition, aber die Verhandlungen über gegenseitige Zugeständnisse stocken. (SDA)
Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU. Seit diesem Zeitpunkt fand zwischen der EU und Grossbritannien aber auch innerhalb des Vereinigten Königreichs ein langwieriger politischer Prozess der Kompromissfindung statt. Mehrere Abgeordnete und sogar Premierminister traten aufgrund der Vertragsverhandlungen zurück. Am 31. Januar 2020 trat Grossbritannien schliesslich aus der EU aus.
BLICK zeigt die wichtigsten Stationen des chaotischen Prozesses seit dem Austrittsvotum der Briten auf.
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