Johnson zieht damit als haushoher Favorit in die nächste Wahlrunde am Mittwoch. Ebenfalls eine Runde weiter sind Aussenminister Jeremy Hunt, Umweltminister Michael Gove, Innenminister Sajid Javid sowie Überraschungskandidat Rory Stewart. Ex-Brexit-Minister Dominic Raab verfehlte dagegen die Hürde von 33 Stimmen.
Johnson vermeidet definitive Brexit-Ansage
Bei einer TV-Debatte zwischen den fünf verbliebenen Bewerbern in der BBC am Dienstagabend wollte sich Johnson nicht festlegen, ob er das Land im Zweifel auch ohne Abkommen am 31. Oktober aus der EU führen werde. «Wir müssen rauskommen», sagte er. «Ansonsten, fürchte ich, werden wir einen katastrophalen Vertrauensverlust in der Politik erleben.» Gleichzeitig betonte er aber, niemand wolle einen «ungeordneten Brexit».
Johnson will das drei Mal im britischen Parlament gescheiterte Brexit-Abkommen mit Brüssel nachverhandeln. Die EU lehnt dies allerdings kategorisch ab. Einziger Ausweg, um den Austritt trotzdem rechtzeitig zu vollziehen, wäre ein No-Deal-Brexit, auf den viele Johnson-Unterstützer hoffen. Experten rechnen für diesen Fall jedoch mit drastischen Konsequenzen für die Wirtschaft und viele andere Lebensbereiche.
Bisher hatte sich der für provokante Äusserungen berüchtigte Johnson in der Öffentlichkeit auffällig zurückgehalten. Auch am Dienstagabend präsentierte er sich verhältnismässig zahm. Der Politiker, der am Mittwoch seinen 55. Geburtstag feiert, gilt im Rennen um die Nachfolge von Premierministerin Theresa May als kaum noch zu schlagen. Johnson war einer der Wortführer für den Brexit vor der Volksabstimmung im Juni 2016. Die Briten hatten sich damals mit knapper Mehrheit für den EU-Austritt ausgesprochen.
Füür die meisten Kandidaten ist No-Deal-Brexit denkbar
Einziger Kandidat, der einen ungeordneten Brexit ablehnt, ist Stewart. Er will notfalls mithilfe einer Bürgerversammlung doch noch eine Mehrheit für den Brexit-Deal im Parlament zusammenbekommen. Er forderte den Ex-Aussenminister bereits mehrfach dazu auf, zu erklären, wie er seine vollmundigen Versprechungen in Sachen EU-Austritt in die Realität umsetzen will. Spekulationen Stewart könne erheblichen Druck auf Johnson aufbauen, bestätigten sich in der Fernsehdebatte am Dienstag jedoch nicht.
Bei der Abstimmung in der Fraktion hatte Stewart zuvor einen deutlichen Erfolg eingefahren. Der Entwicklungshilfeminister konnte die Zahl seiner Unterstützer seit der ersten Abstimmungsrunde beinahe verdoppeln. Anders als seine Mitbewerber schielt er nicht auf einen Ministerposten in einer Johnson-Regierung. Ob er die nächste Abstimmungsrunde am Mittwoch überstehen wird, und sich zum Johnson-Gegenspieler entwickeln kann, scheint aber fraglich.
Welche Kandidaten sind noch dabei?
Bis Donnerstag soll die Zahl der Bewerber in weiteren Wahlrunden, bei denen jeweils der Letztplatzierte ausscheidet, von der Fraktion auf zwei reduziert werden. Wer von den beiden Parteichef und damit Premierminister wird, sollen dann die rund 160'000 konservativen Parteimitglieder entscheiden. Umfragen zufolge ist Johnson an der Basis unangefochtener Spitzenreiter. Viele trauen ihm zu, enttäuschte Brexit-Wähler, die sich von den Tories abgewendet haben, zurückzugewinnen. Bis zur Woche vom 22. Juli soll feststehen, wer neuer Regierungschef in Grossbritannien wird.
Jeremy Hunt
Mit grossem Abstand hinter Johnson folgte an Platz 2 der aktuelle Aussenminister Jeremy Hunt, der es auf 43 Stimmen brachte. Hunt war eigentlich für einen Verbleib Grossbritanniens in der EU. Allerdings kritisierte der 52-Jährige das Auftreten Brüssels in den Verhandlungen später als «arrogant". Der Einfluss Hunts im Kabinett ist nach und nach gewachsen. Einen Ausstieg aus der EU ohne Abkommen hat Hunt als «politischen Selbstmord» bezeichnet.
Michel Gove
Der 51-jährige Umweltminister gehört zu den leidenschaftlichsten Euroskeptikern. Bereits in den Wirren nach dem Brexit-Referendum im Jahr 2016 wollte Gove an die Parteispitze, schaffte es damals in der Abstimmung innerhalb der Fraktion aber nicht in die Endrunde. Gove hat angedeutet, lieber eine weitere Verschiebung des Brexit in Kauf zu nehmen, als die EU am 31. Oktober ohne Abkommen zu verlassen. Gove galt neben Johnson als aussichtsreichster Kandidat, bevor er vor einigen Tagen öffentlich zugab, als junger Mann gekokst zu haben.
Sajid Javid
Der frühere Investmentbanker und Sohn eines pakistanischen Busfahrers gilt als das Gesicht des modernen, multikulturellen Grossbritanniens. Der 49-jährige Innenminister gehört dem wirtschaftsliberalen Flügel der Konservativen an. 2016 stimmte er für einen Verbleib seines Landes in der EU. Seit dem Ausgang des Referendums hat er sich aber zu einem Fürsprecher des EU-Ausstiegs entwickelt. Auch er bevorzugt einen Deal mit der EU - allerdings nur, wenn dieser vor dem 31. Oktober zustande kommt. Zu diesem Termin soll das Königreich aus Javids Sicht die EU in jedem Fall verlassen. Zu Javids einflussreichsten Unterstützerinnen gehört die Vorsitzende der schottischen Konservativen Ruth Davidson.
Boris Johnson
Der Ex-Aussenminister hat angekündigt, sein Land am 31. Oktober aus der EU zu führen - ob mit oder ohne Deal. Allerdings hat auch der als Brexit-Hardliner geltende Johnson zuletzt mildere Töne angeschlagen und einen «No Deal»-Brexit als «letzten Ausweg» bezeichnet, den «niemand sich wünscht". Der frühere Bürgermeister von London war schon vor dem Referendum im Jahr 2016 einer der Wortführer der Brexit-Kampagne. Johnson ist unkonventionell, oft polternd - und verfügt über Charisma. In den eigenen Reihen polarisiert der prominenteste innerparteiliche Kritiker von Theresa Mays Brexit-Kurs allerdings. Beliebt ist er vor allem bei der konservativen Basis.
Rory Stewart
Der 46-jährige Entwicklungsminister Stewart hält einen Brexit ohne Deal für gefährlich. Er ging als Aussenseiter ins Rennen um Mays Nachfolge. Mit 19 Stimmen qualifizierte er sich nur knapp für den zweiten Wahlgang. (SDA)
Das Verfahren, in dem die britischen Konservativen ihren neuen Parteichef auswählen, sieht mehrere Etappen vor: Von den ursprünglich zehn Bewerbern sollen am Donnerstag nur noch zwei übrig sein, unter denen dann die 160'000 Parteimitglieder über den neuen Vorsitzenden und Regierungschef entscheiden.
Für die Bewerber bedeutet das Verfahren, dass der Machtkampf in aller Öffentlichkeit ausgetragen wird und jeder die Zahl seiner Unterstützer vorgeführt bekommt. Ein Überblick über den Zeitplan:
- 18. Juni:
An diesem Dienstag steht der zweite Wahlgang unter den 313 konservativen Abgeordneten des Unterhauses an. Inzwischen sind nur noch sechs Bewerber im Rennen. Jeder Kandidat muss mindestens 33 Stimmen bekommen, um weitermachen zu können. Gelingt dies allen, fällt derjenige mit der geringsten Zustimmung raus. Dann sind es nur noch fünf. - 19. Juni:
Schon am Mittwoch folgt dann die dritte Abstimmung. Es bleiben allenfalls vier. - 20. Juni:
Für Donnerstag sind die vierte und die fünfte Runde geplant. Damit soll das Bewerberfeld dann auf zwei reduziert sein. Sie müssen sich dann auf den Wahlkampf bei den Parteimitgliedern einstellen, der am 22. Juni offiziell beginnt. - 28. Juni:
Die zurückgetretene Parteichefin Theresa May nimmt in ihrer Funktion als amtierende Premierministerin am G20-Gipfel in Osaka teil. - 2. Juli:
Konstituierende Sitzung des EU-Parlaments. Ausgerechnet die britische Brexit-Partei stellt mit 29 Mandaten die grösste Gruppierung einer einzelnen Partei.
- 23. Juli:
Vermutlich Verkündung des Ergebnis der brieflichen Abstimmung von rund 160'000 Parteimitglieder: Jetzt weiss man, wer die Tories und Grossbritannien vn nun an anführen wird.
- 25. August:
Im südfranzösischen Biarritz, beim Treffen der Staats- und Regierungschefs der G7-Staaten, wird der neue britische Premier seinen ersten grossen Auftritt auf internationalem Parkett haben. - 17. Oktober:
Am EU-Gipfel in Brüssel dürfte der neue britische Regierungschef teilnehmen, wenn der Brexit bis dahin weiter nicht vollzogen ist. - 31. Oktober:
Grossbritannien verlässt die EU - sofern bis dahin nicht eine weitere Verschiebung beschlossen ist.
Das Verfahren, in dem die britischen Konservativen ihren neuen Parteichef auswählen, sieht mehrere Etappen vor: Von den ursprünglich zehn Bewerbern sollen am Donnerstag nur noch zwei übrig sein, unter denen dann die 160'000 Parteimitglieder über den neuen Vorsitzenden und Regierungschef entscheiden.
Für die Bewerber bedeutet das Verfahren, dass der Machtkampf in aller Öffentlichkeit ausgetragen wird und jeder die Zahl seiner Unterstützer vorgeführt bekommt. Ein Überblick über den Zeitplan:
- 18. Juni:
An diesem Dienstag steht der zweite Wahlgang unter den 313 konservativen Abgeordneten des Unterhauses an. Inzwischen sind nur noch sechs Bewerber im Rennen. Jeder Kandidat muss mindestens 33 Stimmen bekommen, um weitermachen zu können. Gelingt dies allen, fällt derjenige mit der geringsten Zustimmung raus. Dann sind es nur noch fünf. - 19. Juni:
Schon am Mittwoch folgt dann die dritte Abstimmung. Es bleiben allenfalls vier. - 20. Juni:
Für Donnerstag sind die vierte und die fünfte Runde geplant. Damit soll das Bewerberfeld dann auf zwei reduziert sein. Sie müssen sich dann auf den Wahlkampf bei den Parteimitgliedern einstellen, der am 22. Juni offiziell beginnt. - 28. Juni:
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Konstituierende Sitzung des EU-Parlaments. Ausgerechnet die britische Brexit-Partei stellt mit 29 Mandaten die grösste Gruppierung einer einzelnen Partei.
- 23. Juli:
Vermutlich Verkündung des Ergebnis der brieflichen Abstimmung von rund 160'000 Parteimitglieder: Jetzt weiss man, wer die Tories und Grossbritannien vn nun an anführen wird.
- 25. August:
Im südfranzösischen Biarritz, beim Treffen der Staats- und Regierungschefs der G7-Staaten, wird der neue britische Premier seinen ersten grossen Auftritt auf internationalem Parkett haben. - 17. Oktober:
Am EU-Gipfel in Brüssel dürfte der neue britische Regierungschef teilnehmen, wenn der Brexit bis dahin weiter nicht vollzogen ist. - 31. Oktober:
Grossbritannien verlässt die EU - sofern bis dahin nicht eine weitere Verschiebung beschlossen ist.