Der Himalaya und die umliegenden Gebirge gelten als der dritte Pol der Erde. Infolge der Klimaerwärmung schmelzen die Gletscher auch dort immer schneller, wodurch sich neue Gletscherseen bilden und bestehende grösser werden. Das birgt ernste Gefahren: Wenn Dämme überlaufen oder versagen, können Gletscherausbrüche das Leben und die Lebensgrundlagen von Menschen hunderte Kilometer flussabwärts zerstören.
Das internationale Team führte nun eine Risikobewertung für rund 7000 Gletscherseen durch. Demnach birgt bereits heutzutage einer von sechs dieser Seen ein potenziell hohes bis sehr hohes Risiko für flussabwärts gelegene Ortschaften. Dies betrifft vor allem die östlichen und zentralen Himalaya-Regionen in China, Indien, Nepal und Bhutan, wie die Uni Genf und die Chinesische Akademie der Wissenschaften am Donnerstag mitteilten.
Die Forschenden modellierten anschliessend, wie sich das Flutrisiko im Zuge der Klimaerwärmung verändern dürfte. «Schreitet die globale Erwärmung fort wie bisher, werden bis zum Ende des Jahrhunderts rund 6000 neue Seen entstehen, die potentiell ausbrechen können», sagte der Studienmitautor Markus Stoffel von der Uni Genf im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Die Zahl der Seen mit hohem oder sehr hohem Flutrisiko steigt demnach von 1203 auf 2963 Gewässer. Zusätzlich dürften die bereits bestehenden Seen grösser werden und neue Seen mit zunehmender Gletscherschmelze näher an steile, instabile Berghänge heranwachsen. Die Gefahr: Wenn Fels- oder Eisbrocken ins Wasser stürzen, kann das kleine Tsunamiwellen auslösen - die Seen überborden schlagartig.
Insgesamt dürfte sich das Flutrisiko in diesem «Weiter-Wie-Bisher»-Szenario bis Ende des Jahrhunderts verdreifachen. Und selbst beim Erfüllen der Pariser Klimaziele würde sich das Risiko erhöhen - wenn auch weniger stark, sagte der Genfer Umweltwissenschaftler. Im Pariser Klimaabkommen verpflichten sich fast alle Staaten der Welt, die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad, besser 1,5 Grad zu begrenzen.
Gemäss der Studie dürften vor allem gegen Ende des Jahrhunderts neue «Hotspots» im westlichen Himalaya und den Grenzregionen entstehen. Dies gilt insbesondere für das Pamir-Gebirge zwischen Tadschikistan und Afghanistan. «Grenzüberschreitende Regionen sind für uns von besonderer Bedeutung», sagte Simon Allen von der Uni Genf gemäss der Mitteilung. Denn politische Spannungen können einen rechtzeitigen Datenaustausch, gute Kommunikation und Koordination verhindern. Für effektive Frühwarnsysteme und Katastrophenvorsorge sei dies aber notwendig, sagte Stoffel.
In ihrer Studie appellieren die Autoren denn auch daran, dass die betroffenen Nationen und die internationale Forschungsgemeinschaft zusammenarbeiten sollen, um Schäden zu verhindern und zu minimieren. «Und natürlich soll die Erderwärmung so stark wie möglich gebremst werden», so der Umweltwissenschaftler.
(SDA)