Hinter Mauern und Stacheldraht zu leben, ist nicht schön. Doch der Verlust der Freiheit ist nicht das einzige Problem. In Schweizer Strafanstalten fehlt es auch am Nötigsten: am Sex. «Kein Wunder, schlafen viele männliche Insassen der Not gehorchend mit Männern», sagt Andrea Bächtold, Professor für Strafvollzug an der Uni Bern.
Das wollen die Schweizer Gefängnisdirektoren nun ändern. «Die Gefangenen sollen während ihrer Haft ihre angestammten sexuellen Kontakte möglichst behalten können», sagt Ulrich Luginbühl, Präsident der Schweizerischen Gefängnisdirektorenkonferenz. Er verweist dabei auf die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), die für Gefangene auch punkto Sex die Aufrechterhaltung zwischenmenschlicher Kontakte fordert. Luginbühl will das Thema an der nächsten Zusammenkunft der schweizerischen Gefängnisdirektoren aufs Tapet bringen.
In dem von ihm geleiteten Massnahmenzentrum St. Johannsen bei Erlach BE geht der Präsident der Gefängnisdirektoren mit gutem Beispiel voran. Nicht gemeingefährlichen Tätern, die nur Kurzstrafen zu verbüssen haben, gewährt er stundenweise Urlaub. Viele Insassen nutzen dies in der warmen Jahreszeit zu einem Schäferstündchen am Ufer des nahen Bielersees.
Sexurlaube ausserhalb des Gefängnisses kommen in geschlossenen Anstalten allerdings nicht in Frage. Dort setzen die Direktoren auf Beziehungs- oder sogenannte Sexzimmer, wo die Gefangenen Freunde, Verwandte und Lebenspartnerinnen treffen können. Die Kontakte finden zwar innerhalb der Gefängnismauern statt, die Gefangenen können sich aber mit ihren Freundinnen für ein paar ungestörte Stunden zurückziehen.
Die Frauenstrafanstalt Hindelbank BE verfügt über ein Beziehungszimmer, die Strafanstalt Bostadel ZG hat sogar zwei davon. Und Ueli Graf, Direktor der Strafanstalt Pöschwies in Regensdorf ZH, würde ein zweites Sexzimmer lieber heute als morgen realisieren, wenn er übers Budget frei entscheiden könnte.
Das bereits bestehende Beziehungsstudio in Pöschwies besteht aus zwei Zimmern plus Kochnische, gemütlichem Sofa und Chambre séparée. Es kann von jedem der über 400 Gefangenen nur alle zehn Wochen einmal für fünf Stunden gebucht werden.
Gesamtschweizerisches Vorbild ist die Strafanstalt La Stampa in Lugano TI. Dort gibt es ein Häuschen im überwachten Bereich, das etwas abseits zwischen Bäumen liegt und «La Silva» heisst, das Wäldchen. Ein idealer Ort für Stunden zu zweit.
Bisher stand das Wäldchen nur Insassen offen, die mindestens 18 Monate in Haft waren. Armando Ardia, Direktor von La Stampa, will jetzt einen Schritt weiter gehen und den Insassen schon nach einem Jahr den Zutritt zum Wäldchen gewähren. «Wenn wir zu lange warten», sagt Ardia, «bestrafen wir auch die Frauen der Inhaftierten.»
Keine Sexzimmer gibt es in den Strafanstalten Bochuz in Orbe VD, Thorberg BE und Lenzburg AG. Noch!