Fred Tschanz aus Göschenen UR wird mit 80 auf die Strasse gestellt
«Keiner gibt mir eine Wohnung»

Fred Tschanz muss aus seiner Wohnung raus. Der 80-jährige Rentner hat sich für rund 30 Wohnungen beworben und nur Absagen erhalten. Zudem plagt ihn sein Rücken. Hilfe zum Packen hat er keine.
Publiziert: 10.06.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 21:58 Uhr
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Fred Tschanz ist jeden Tag am Packen. Er hat Heimweh nach dem Baselbiet.
Foto: Joseph Khakshouri
Von Gabriela Battaglia (Text) und Joseph Khakshouri (Fotos)

Fred Tschanz (80) ist verzweifelt: «Ich sitze zwischen Stuhl und Bank. Meine Situation macht mir Angst.» Der ehemalige Novartis-Techniker muss Ende Juni raus aus seiner Fünf-Zimmer-Wohnung. Ein Ehepaar hat das Haus in Göschenen UR von den SBB gekauft. Nach einer Totalsanierung entstehen teure Eigentumswohnungen.

Der Brief mit der Kündigung kam Ende März. Fred Tschanz hat die dreimonatige Frist angefochten. Als Alternative wurde ihm angeboten, bis im Januar in einer kleinen Wohnung im Parterre zu logieren.

Die Galgenfrist nützt Tschanz nicht viel. «Ich möchte sehnlichst zurück in meine alte Heimat im Raum Basel. Am liebsten nach Rheinfelden.»

Tschanz zog vor zehn Jahren nach Göschenen. «Ich wollte schneller bei meiner Freundin im Tessin sein. Sie ist leider gestorben. Jetzt sitze ich hier einsam am Ende der Welt fest.»

Fred Tschanz hat sich bisher für rund 30 Wohnungen beworben. Vergeblich. «Keiner gibt mir eine Wohnung. Ich bekomme nicht mal eine Antwort.» Nur eine Immobilienagentur hat bisher schriftlich abgesagt.

In seinem Betreibungsregister hat er einen Eintrag von 252.55 Franken. «Es ging um eine Krankenkassen-Rechnung über 50 Franken. Ich habe die damals nicht bekommen. Das Ganze ist längst bezahlt.»

Tschanz sucht gleichzeitig einen Bastelraum in Rheinfelden, als Lagerraum für seine Kisten. Doch selbst wenn er etwas Geeignetes finden würde, müsste er persönlich vorbeigehen. «Ich habe zwar ein GA, doch die weite Reise ist sehr mühsam für mich.»

Vor einem Jahr hatte Tschanz eine schwere Rückenoperation. Er braucht Krücken, seit kurzem besitzt er ein Elektromobil. Und für den Umzug kaufte er sich einen treppengängigen Dreirad-Sackwagen. Aber: «Den hat jemand gestohlen. Der Dieb hat sich bisher nicht gemeldet.»

Seit Wochen schleppt er nun jeden Tag eigenhändig Zügelkisten die Treppe runter, stellt sie in einem Vorraum ab. «Doch sie müssen Ende Monat hier weg. Die Notwohnung ist zu klein.»

Tschanz hat keine Familie. Seine wenigen noch lebenden  Freunde wohnen weit weg. «Sie  sind auch nicht mehr fit genug, um mir beim Umzug zu helfen.»

Auch ein Inserat in der «Neuen Urner Zeitung» hat nichts gebracht. «Ich suchte einen Helfer zum Packen und Räumen. Selbstverständlich gegen Bezahlung. Leider hat sich niemand gemeldet.»

Tschanz kann seit Wochen kaum mehr schlafen. «Es ist brutal, wenn man in so eine Situation gerät. Man realisiert, dass man alt ist und neben den Schuhen steht. Trotz genügend Geld ist man abgeschrieben.»

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