Frankreich
Erste Lockerungen in Frankreich - Vorsichtiges Erwachen mit Pannen

Holpriger Start in die Freiheit: Frankreich hat viele seiner Corona-Beschränkungen nach zwei Monaten nur mit Schwierigkeiten beendet. Im morgendlichen Pariser Berufsverkehr herrschte dichtes Gedränge auf zahlreichen Bahngleisen und in Vorstadtzügen.
Publiziert: 11.05.2020 um 16:11 Uhr
Paris erwacht: Verkehr auf den Champs Elysée am Montagmorgen. Erstmals dürfen Französinnen und Franzosen wieder ohne Passierschein auf die Strasse-
Foto: Christophe Ena

Auch das Gesetz zur Verlängerung des Ausnahmezustands im Gesundheitsbereich konnte nicht rechtzeitig verabschiedet werden - einige Lockerungs-Regelungen traten zunächst nicht in Kraft. Gleichzeitig öffneten die Geschäfte wieder, der Schulbetrieb beginnt für einige Jahrgänge und die Deutsche Bahn nahm den grenzüberschreitenden Zugverkehr nach Frankreich wieder auf.

Nach 55 Tagen durften die Menschen in Frankreich nun erstmals wieder ohne Passierschein auf die Strasse. Vorbei die Zeit, in der sie nur mit triftigem Grund das Haus verlassen durften. Oder Spazierengehen nur im Umkreis von einem Kilometer erlaubt war. Frankreich ist weltweit eines der am stärksten von der Corona-Krise betroffenen Länder. Mehr als 26 000 Menschen sind bereits gestorben. In einer TV-Ansprache verhängte Präsident Emmanuel Macron am 16. März zunächst eine zweiwöchige Ausgangssperre - diese wurde mehrfach verlängert. «Wir sind im Krieg», hatte Macron erklärt.

Pünktlich zum Start der Corona-Lockerungen wurden die Menschen in weiten Teilen des Landes von Wind und Regen begrüsst. In der Hauptstadt hatte während des Lockdowns fast durchgehend die Sonne geschienen. Sorgen hatte den Verantwortlichen zuvor besonders der Nahverkehr in der Hauptstadt bereitet. Rund eine Million Sticker wurden aufgeklebt - sie zeigen etwa an, welche Sitze frei bleiben sollen. Zu Stosszeiten sollen künftig vorrangig Fahrgäste mit einer Bescheinigung des Arbeitgebers die Züge benutzen dürfen. Es fahren nur 75 Prozent der Metros, 60 Stationen sind geschlossen.

Trotz aller Vorsichtsmassnahmen kam es dann am Montag zu dichtem Gedränge. Der Fernsehsender BFMTV zeigte Szenen eines voll besetzten Wagens auf einer Metrolinie, nachdem der erste Zug des Tages wegen einer technischen Panne Verspätung hatte. Auch in den Vorstadtzügen standen die Menschen teils dicht an dicht, wie Fotos zeigten. Kritik liess nicht lange auf sich warten: «Es ist eine Schande», monierte die Rechtspopulistin Marine Le Pen. Im Laufe des Morgens beruhigte sich die Lage allerdings wieder. Am Pariser Ostbahnhof war kaum etwas los, Vogelgezwitscher war in der Wartehalle zu hören.

Vom Ostbahnhof fuhr am Mittag auch wieder ein ICE nach Deutschland. Auf der Strecke von Frankfurt über Saarbrücken bis nach Paris verkehrt nun wieder täglich ein ICE-Zugpaar. An den Einreisebeschränkungen nach Frankreich hat sich mit den Lockerungen allerdings kaum etwas geändert - sie sind bis zum 15. Juni verlängert worden. Wer von Frankreich mit dem Zug nach Deutschland fährt, wird laut Bundespolizei je nach Strecke in Saarbrücken oder Kehl kontrolliert.

Sicherheitspersonal kontrollierte am Morgen die Maskenpflicht, die ab nun in allen öffentlichen Verkehrsmitteln im Land gilt. Die meisten Menschen trugen eine Schutzmaske. Wer ohne unterwegs war, wurde sofort angesprochen und freundlich aber bestimmt zurechtgewiesen. Generell sind es kleine Schritte in Richtung Freiheit, die Frankreich macht. Die Bewegungsfreiheit der Menschen bleibt weiter eingeschränkt. «Es ist nicht das Ende, es ist nur eine Etappe», sagte Blandine, eine Frau am Ostbahnhof, zu den Lockerungen. Sie werde auch weiter von zu Hause aus arbeiten.

Einen Schlag vor den Bug versetzte der Verfassungsrat den Plänen der Regierung. Das Gesetz zur Verlängerung des Gesundheits-Ausnahmezustands bis 10. Juli trat nicht rechtzeitig in Kraft. Damit soll der Fahrplan der Regierung zur Lockerung rechtlich abgesichert werden. Ausserdem kann die Regierung Beschlüsse per Dekret umsetzen. Am Montag war die Prüfung jedoch noch nicht beendet. Die Regierung setzte daher einen Grossteil der Regelungen per Dekret um.

Zwei besonders kritische Regelungen wurden aber vorbehaltlich der Zustimmung des Verfassungsrates nach hinten verschoben - nämlich dass Menschen in Frankreich für Reisen von mehr als 100 Kilometern Entfernung eine Bescheinigung brauchen. Ausserdem betroffen ist die Regelung zur Pariser Metro zu Stosszeiten.

Auch das schwer von der Corona-Krise getroffene Elsass an der Grenze zu Deutschland erwachte ganz zaghaft aus dem Lockdown. Tram und grosse Bahnhöfe waren menschenleer. Die Läden im historischen Zentrum hatten am Vormittag zum Grossteil noch nicht geöffnet.

(SDA)

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