Flugzeugabsturz
US-Berichte: Unglücksmaschine vermutlich nach Abschuss abgestürzt

Die bei Teheran abgestürzte ukrainische Passagiermaschine könnte US-Medienberichten zufolge von einer iranischen Flugabwehrrakete getroffen worden sein. US-Regierungsbeamte hielten dies für hoch wahrscheinlich.
Publiziert: 09.01.2020 um 15:01 Uhr
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Aktualisiert: 09.01.2020 um 22:08 Uhr
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Einer der Flugzeugmotoren der abgestürzten Boeing 737 der Fluggesellschaft UIA liegt zwischen den Trümmern in der Nähe der iranischen Hauptstadt Teheran. Im Hintergrund arbeiten Ermittler an der Aufklärung der Unglücksursache.
Foto: ABEDIN TAHERKENAREH

Das berichtete der TV-Sender CBS am Donnerstag unter Berufung auf namentlich nicht genannte Quellen. Das Nachrichtenmagazin «Newsweek» berichtete unter Berufung auf zwei Pentagon-Mitarbeiter, dies sei wohl versehentlich geschehen.

Diese Meinung vertritt auch der kanadische Regierungschef Justin Trudeau. Er sagte am Donnerstag an einer Pressekonferenz, Geheimdienstinformationen deuteten darauf hin, dass die Maschine «von einer iranischen Boden-Luft-Rakete abgeschossen wurde". Dies könnte unabsichtlich geschehen sein.

«Newsweek". berichtete, die Annahme sei, dass das iranische Luftabwehrsystem aktiv gewesen sein könnte, nachdem in der Nacht zum Mittwoch vom Iran aus Raketen auf von US-Soldaten genutzte Militärstützpunkte im Irak abgefeuert worden waren.

Der Iran hatte Spekulationen über einen Abschuss zuvor bereits zurückgewiesen. Bei dem Absturz waren 176 Menschen gestorben. Die Boeing 737 der Ukraine International Airlines war auf dem Weg von Teheran nach Kiew gewesen.

CBS berichtete, US-Geheimdienste hätten Signale von einem Radar empfangen, das eingeschaltet worden sei. US-Satelliten hätten ausserdem den Start von zwei Boden-Luft-Raketen kurz vor der Explosion des Flugzeugs entdeckt.

Der Sender CNN meldete unter Berufung auf mehrere US-Behördenvertreter, man gehe zunehmend von einem versehentlichen Abschuss durch den Iran aus. Dieser «Arbeitstheorie» lägen die Analyse von Satelliten-, Radar- und anderen elektronischen Daten zugrunde, die routinemässig vom Militär und den Geheimdiensten der USA gesammelt würden.

US-Präsident Donald Trump heizte Mutmassungen über die Absturzursache der Maschine unterdessen an. «Ich habe meinen Verdacht», sagte Trump am Donnerstag im Weissen Haus. «Ich will das nicht sagen, weil andere Menschen auch diesen Verdacht haben. Es ist eine tragische Angelegenheit.» Trump sagte weiter: «Jemand könnte einen Fehler gemacht haben.»

Einige Menschen vermuteten, dass es einen mechanischen Fehler gegeben haben könnte. Er persönlich glaube, das stehe nicht zur Debatte. Auf die Frage, ob die Maschine aus Versehen abgeschossen worden sein könnte, sagte er allerdings: «Das weiss ich wirklich nicht.»

Die iranischen Behörden bekräftigten am Donnerstag, dass eine technische Ursache zu der Katastrophe geführt habe. «Wegen eines technischen Defekts hat die Maschine Feuer gefangen, und dies führte zum Absturz», sagte Verkehrs- und Transportminister Mohammed Eslami der Nachrichtenagentur Isna.

Spekulationen über einen «verdächtigen» Absturz und Gerüchte über einen Abschuss der Boeing 737 oder eine Terroroperation seien alle falsch. Wie er zu diesen Erkenntnissen kam, sagte Eslami nicht. Die Ukraine schliesst hingegen einen Raketenangriff oder einen Terroranschlag als Ursache nicht aus. Kiew schickte eigene Experten in den Iran.

Der Leiter der iranischen Luftfahrtbehörde bezeichnete einen Abschuss der Passagiermaschine als «wissenschaftlich unmöglich» und wies entsprechende Spekulationen als «unlogisch» zurück.

«Die Behauptung, dass die Maschine von einem iranischen Raketenabwehrsystem getroffen worden sei, kann ganz und gar nicht stimmen, weil zur selben Zeit des Absturzes mehrere andere Maschinen im iranischen Luftraum unterwegs waren», sagte Ali Abedsadeh laut Nachrichtenagentur Fars. Im Iran gebe es zwischen der militärischen und zivilen Luftfahrtbehörde eine einwandfreie Koordination.

Irans Präsident Hassan Ruhani sagte Angaben des Präsidialamtes in einem Telefonat mit seinem ukrainischen Kollegen Wolodymyr Selenskyj, Expertenteams beider Länder sollten die genaue Absturzursache gründlich untersuchen.

Die Ermittler wollen nun den kurzen Flug rekonstruieren. In einem am Donnerstag veröffentlichten vorläufigen Bericht der iranischen Luftfahrtbehörde heisst es, die Maschine habe versucht, zurück zum Flughafen zu fliegen. Augenzeugen hätten berichtet, die Maschine habe gebrannt. Als sie am Boden aufschlug, sei sie explodiert - wohl weil das Flugzeug grosse Mengen Kerosin getankt hatte.

Die Experten erhoffen sich mehr Informationen durch die Auswertung der beiden Blackboxen mit den Flugdaten. Die Boxen enthalten die Flugdatenschreiber und einen Stimmenrekorder mit Aufnahmen der Gespräche im Cockpit. Diese sollten nach gründlichen Untersuchungen an die Ukraine übergeben werden, kündigte die Luftfahrtbehörde an. Die Geräte seien aber beschädigt worden. Kurz vor dem Absturz habe auch kein Funkkontakt mehr zu den Piloten bestanden.

Kiew zieht vier Versionen in Betracht: Alexej Danilow vom ukrainischen Sicherheitsrat schrieb auf Facebook, es sei möglich, dass die Maschine von einer Rakete des russischen Typs «Tor» getroffen worden sei. Deshalb seien Experten an der Untersuchung beteiligt, die bereits 2014 beim Abschuss des malaysischen Fluges MH17 durch eine Flugabwehrrakete über der Ostukraine ermittelt hätten.

Geprüft werden auch ein Zusammenstoss mit einem Flugobjekt wie etwa einer Drohne, ein Triebwerksschaden und ein Terroranschlag.

Die Ukrainer gedachten am Donnerstag der 176 Todesopfer. Präsident Wolodymyr Selenskyj rief einen Tag der Trauer aus. Die Fahnen wehten auf halbmast. In den Fernsehprogrammen und im Radio sollte auf Unterhaltungsformate verzichtet werden. Am Kiewer Flughafen Boryspil legten viele Menschen Blumen nieder. Dort hätte die Maschine eigentlich am Mittwochmorgen gegen 8.00 Uhr Ortszeit landen sollen.

Aufgrund des Konflikts im Nahen Osten sollen Flüge im irakischen Luftraum aus Sicht der europäischen Flugaufsicht (EASA) vermieden werden. Das sei eine Schutzmassnahme, teilte die EASA auf Anfrage der Nachrichtenagentur DPA mit. Zudem haben laut den Angaben der EASA bereits manche europäischen Fluggesellschaften ihre Routen angepasst.

(SDA)

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