Wogen glätten, Pakt retten - so lässt sich die Flüchtlingsmission vom Donnerstag und Freitag in der Türkei zusammenfassen. Bei seinem kurzen Besuch in Ankara von Donnerstagabend bis Freitagmittag sagte Seehofer der Türkei für die Betreuung der vielen Flüchtlinge im Land weitere Unterstützung zu.
Nach der Ankunft ihrer am Donnerstagabend trafen Seehofer und Adamopoulos zunächst den türkischen Innenminister Süleyman Soylu. Danach sagte Seehofer zu deutschen Journalisten: «Der Minister hat uns sehr umfassend dargestellt, welchen Zuwachs die Migration hier im Moment hat.» Seehofer erwähnte Afghanen und Syrer. Der Migrationsdruck sei «gewaltig» und steige.
Der deutsche Innenminister bestätigte, dass die Türkei zusätzliche Mittel für die Flüchtlingshilfe angesprochen habe. Darüber müsse nun mit der neuen EU-Kommission, die unter Ursula von der Leyen am 1. November ihren Dienst antritt, geredet werden. «Ich werde nach Brüssel fahren und der neuen Kommissionspräsidentin meine Eindrücke hier schildern, damit das sehr schnell angegangen wird», sagte Seehofer.
Der türkische Innenminister werde ausserdem eine Liste zusammenstellen mit Punkten, bei denen Deutschland helfen könne. Diese werde noch mit Präsident Recep Tayyip Erdogan abgestimmt. Denkbar sei beispielsweise Unterstützung bei der Grenzüberwachung, sagte Seehofer.
Bevor Seehofer am Freitagmittag nach Athen weiterreiste, traf er zusammen mit EU-Migrationskommissar Avramopoulos den türkischen Aussenminister Mevlüt Cavusoglu. Danach gab es ein Gespräch mit Vize-Präsident Fuat Oktay.
Cavusoglu lobte sein Gespräch mit Seehofer und Avramopoulos als produktiv. Man habe das Flüchtlingsabkommen «in allen Details» diskutiert. Es sei in diesem Zusammenhang auch um den Ausbau der Zollunion und visa-freies Reisen gegangen.
Der Flüchtlingspakt aus dem Jahr 2016 sieht vor, dass Griechenland illegal eingereiste Migranten zurück in die Türkei schicken kann. Im Gegenzug übernimmt die EU syrische Flüchtlinge aus der Türkei und unterstützt die Türkei finanziell bei der Versorgung der Flüchtlinge.
Erdogan hat allerdings mehrfach kritisiert, dass versprochene EU-Hilfen nicht zufriedenstellend flössen, und mehr Unterstützung eingefordert. Andernfalls könnte man den Flüchtlingen die Türen Richtung Europa öffnen, drohte er.
In EU-Ländern wiederum wuchsen Sorgen, weil in Griechenland seit einiger Zeit deutlich mehr Flüchtlinge aus der Türkei eintreffen. Der Pakt soll das eigentlich verhindern. Cavusoglu sprach am Freitag von «grundlosen Anschuldigungen gegen die Türkei nach einem kleinen Anstieg von Ankünften".
Beide Minister und der Vizepräsident hatten offenbar ein äusserst strittiges Thema angesprochen: Präsident Erdogans Idee, in Nordsyrien eine sogenannte Sicherheitszone zu schaffen und, sobald sie von «terroristischen Gruppen befreit» sei, Millionen syrische Flüchtlinge dorthin umzusiedeln.
Hier liess Seehofer seine Gesprächspartner offenbar abblitzen. «Ich habe deutlich gesagt, dass es ja viele Regierungen gibt, unsere eingeschlossen, die da ihre Probleme haben», sagte Seehofer am Donnerstagabend.
Niemand in Europa solle glauben, das Thema betreffe ihn nicht, warnte Seehofer am Freitagnachmittag in Athen. Wenn die Flüchtlingskrise nicht solidarisch und gemeinsam gelöst werde, «dann werden wir das erleben, was wir 2015 auch erlebt haben - dann werden die Menschen überall in Europa sein», sagte Seehofer nach seinem Treffen mit dem griechischen Bürgerschutzminister Michalis Chrysochoidis, an dem auch EU-Migrationskommissar Avramopoulos teilnahm.
Chrysochoidis bewertete das Gespräch positiv: «Wir sind alle Franzosen, wenn Frankreich leidet, wir sind alle Deutsche, wenn etwas in München oder Berlin passiert», sagte er, und: «Ich bin erleichtert, dass wir uns heute darauf verständigen konnten, in der Flüchtlingsfrage alle Griechen zu sein.»
Man habe Griechenland Hilfe im Bereich Grenzschutz, Informationstechnik und Personal für die Bearbeitung von Asylgesuchen angeboten, um die Flüchtlingssituation in den überfüllten Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln zu entlasten, sagte Seehofer.
(SDA)