«Sauvages» erzählt von der indigenen Kéria, die mit ihrem Vater auf Borneo lebt. Am Rand des Urwalds wird vor dem Hintergrund des Konfliktes zwischen Palmölplantagenbesitzern und der indigenen Gemeinschaft eine Orang-Utan-Mutter erschossen. Deren Baby nehmen Kéria und ihr Vater auf. Der Film fragt nach den eigenen Wurzeln – und vor allem danach, wer letztlich die Wilden sind.
Claude Barras selber war 2018 für fünf Wochen auf Borneo. «Ich habe ein Reservat für Orang-Utans und ein Zentrum für verwaiste Orang-Utan-Babys besucht.» Dort habe er von den natürlichen Adoptionen in freier Wildbahn erfahren. Demnach nehmen sich Orang-Utan-Mütter fremder Waisenbabys an. «Das habe ich in «Sauvages» aufgenommen», so Barras. Zudem habe er einige Zeit bei einer traditionellen Familie im Wald verbracht – also gelebt wie Kéria.
Bereits zwei Jahre zuvor hat Barras mit der Arbeit an «Sauvages» begonnen. Auslöser sei ein Artikel gewesen, in dem das Aussterben der wildlebenden Orang-Utans bis 2035 vorhergesagt wurde. Zudem «habe ich viel über die Penan-Gemeinschaft recherchiert».
Mit seinem Film will Barras «ein Gefühl für die Natur vermitteln» sowie «mit der Geschichte und dem Ton auf emotionale Weise in den Wald eintauchen». Die Töne vermitteln denn auch Naturgeräusche, von Tieren oder fliessendem Wasser – aber auch den Lärm von Bulldozern.
Nach Barras' Auffassung hat der Film auch eine politische Botschaft: In der Lebensmittelindustrie und dem Neoliberalismus sieht er die grössten Herausforderungen für den Schutz der Wälder. «Nehmen wir das Beispiel Palmöl. Ich will Kinder für die Problematik sensibilisieren. Sie sollen verstehen, dass sie mit dem Verzehr von Nutella oder dem Kauf von Plastik vom anderen Ende der Welt Kriminelle unterstützen», sagt er.
«Sauvages» wurde bereits im Mai an den Filmfestspielen von Cannes und im vergangenen August auf der Piazza Grande am Locarno Film Festival gezeigt. Dort wurde er mit dem Locarno Kids Award ausgezeichnet.
Und jetzt also die Nomination für den Europäischen Filmpreis: «Diese Nominierung ist mir wichtig», sagt Barras, «weil ich mich als europäischen Filmemacher sehe.» Seine Filme seien das Ergebnis von Koproduktionen aus zwei oder drei Ländern, «um nur schon das Budget eines Stop-Motion-Animationsfilms finanzieren zu können». Dass in diesem Jahr die Preisverleihung in der Schweiz stattfindet, freue ihn besonders.
Im Übrigen wird «Sauvages» am 6. Februar in den Deutschschweizer Kinos anlaufen. Und ob er einen europäischen Filmpreis abräumt, das wird sich am Samstagabend im Kultur- und Kongresszentrum Luzern zeigen.