Ex-Swiss-Personalchef über die verheimlichten Arzt-Zeugnisse
Warum stoppte niemand den Todes-Piloten?

Andreas Lubitz war in ärztlicher Behandlung und am Tag des Germanwings-Dramas krankgeschrieben. Warum wusste das die Airline nicht?
Publiziert: 27.03.2015 um 16:35 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 19:25 Uhr
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Germanwings-Copilot Andreas Lubitz während einer Sportveranstaltung 2009 auf dem Flughafen Hamburg.
Foto: Keystone
Von Alexa Scherrer

In der Wohnung von Todes-Pilot Andreas Lubitz (†27) haben die deutschen Ermittler «Dokumente medizinischen Inhalts sichergestellt, die auf eine bestehende Erkrankung und entsprechende ärztliche Behandlungen hinweisen». Es handelt sich dabei um Krankschreibungen – zum Teil zerrissen –  die auch den verhängnisvollen Dienstag miteinschliessen.

Warum ist der Co-Pilot trotz ärztlichen Attests ins Cockpit gestiegen? Und warum hat er seine Krankheit vor dem Arbeitgeber verheimlicht? Blick.ch hat mit Personalexperte Matthias Mölleney* über die arbeitsrechtlichen Grundlagen im Falle einer Krankschreibung gesprochen.

Alles deutet daraufhin, dass der Co-Pilot schwerwiegende psychische Probleme hatte. Hätte der behandelnde Arzt bei der Airline eine Art Gefahrenmeldung machen können?
Matthias Mölleney: Nein. Diese Verletzung des Arztgeheimnisses ist nicht zulässig.

Im konkreten Fall hätte sie aber 150 Leben retten können. Wäre eine gesetzliche Änderung wünschenswert?
Grundsätzlich nicht, das Arztgeheimnis erachte ich als immens wichtig. In welchen Fällen man sich darüber hinwegsetzen könnte, müsste sehr eng definiert und äusserst präzise beschrieben werden.

Hätte also niemand dafür sorgen können, dass Lubitz am Dienstag nicht ins Cockpit steigt?
Höchstens der Vertrauensarzt der Airline. Nur wenn ihn der Flugarzt für fluguntauglich erklärt hätte, hätte Lubitz nicht mehr fliegen dürfen. Der Arzt hätte ihm seine Lizenz entziehen können. Der Vertrauensarzt muss allerdings vom Arbeitgeber aufgeboten werden. Das passiert zum Beispiel, wenn er nach Erhalt eines Arztzeugnisses das Gefühl hat, dass mit dem Mitarbeiter etwas derart nicht stimmt, dass es weiterer Abklärung bedarf.

Darf ich trotz ärztlicher Krankschreibung zur Arbeit erscheinen?
Letztlich ist jeder selber für seine Gesundheit verantwortlich und jeder darf sich auch selber für gesund erklären.

Im Fall von Andreas Lubitz war das verhängnisvoll. 
Wir wissen nicht, ob der Arzt meinte, dass er aus medizinischen Gründen nicht fähig ist, eine Maschine zu bedienen oder ob er ihn wegen Magen-Darm-Problemen krankgeschrieben hat. So oder so ist der Arbeitnehmer aber nicht dazu verpflichtet, dem Arbeitgeber von seinen Problemen zu erzählen. Auch nicht in einem Beruf, bei dem man grosse Verantwortung gegenüber Dritten trägt.

*Matthias Mölleney (54) arbeitete 20 Jahre für die Lufthansa. Nach seinem Wechsel in die Schweiz war er unter anderem Personalchef der Swissair. Er leitet das Zentrum für Personalmanagement an der Zürcher Hochschule für Wirtschaft HWZ und betreibt in Uster die Beratungsfirma peopleXpert.

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