Nach Angaben der Veranstalter gingen am Sonntag in Berlin und sechs weiteren deutschen Grossstädten insgesamt mehr als 150'000 Demonstranten unter dem Motto «Ein Europa für alle - Deine Stimme gegen Nationalismus» auf die Strasse. Auch mehrere Spitzenpolitiker beteiligten sich an den Demonstrationen. Allein in Köln marschierten demnach rund 45'000 Menschen für Europa.
Der deutsche Aussenminister Heiko Maas (SPD) schrieb im Kurzbotschaftendienst Twitter: «Grossartig, wie viele Leute bei #1Europafüralle auf der Strasse sind!» Ziel sei ein «Europa für die vielen - kein Europa für die wenigen», ein «Europa des Miteinanders - kein Europa des Gegeneinanders».
Nationalismus ist Feind
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hielt derweil bei einem Wahlkampfauftritt in Kroatien ein entschiedenes Plädoyer gegen Rechtspopulismus und verurteilte den Nationalismus als «Feind des europäischen Projekts». In der EU gehe es darum, «Brücken zu bauen» und «gemeinsame Lösungen zu finden», sagte Merkel am Samstag in Zagreb.
Rechtspopulisten-Treffen in Mailand
Ein sogenanntes «Europa des gesunden Menschenverstandes» (Europe of common sense) forderte hingegen Gastgeber Matteo Salvini von der einwanderungsfeindlichen italienischen Lega-Partei beim Treffen der Rechtspopulisten am Samstag in Mailand. Eine Woche vor der Europawahl bewarb er so die Idee, nach der Wahl im EU-Parlament eine grosse Fraktion nationalistischer und rechtspopulistischer Parteien zu gründen.
Rund ein Dutzend Parteichefs und andere Spitzenpolitiker nahmen teil, darunter auch Jörg Meuthen von der Alternative für Deutschland (AfD) und Geert Wilders von der niederländischen Freiheitspartei (PVV). Als vorletzte Rednerin prangerte die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen eine «Oligarchie ohne Orientierung» an, die die «Auflösung der Nationen» wolle.
Straches Ibiza-Skandal beeinflusst Treffen
Überschattet wurde das Treffen vom Skandal um den österreichischen FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache. Der Rechtspopulist musste am Samstag als Vizekanzler und FPÖ-Chef zurücktreten, nachdem ein heimlich auf Ibiza aufgenommenes Video bekannt geworden war.
Darin zeigt er sich vor der Parlamentswahl 2017 bereit, als Gegenleistung für verdeckte Wahlkampfgelder öffentliche Aufträge an die angebliche Nichte eines russischen Oligarchen zu vergeben. Als Konsequenz kündigte Österreichs Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) vorgezogene Neuwahlen an.
FPÖ-Spitzenkandidat Harald Vilimsky liess sich in Mailand von dem Abgeordneten Georg Mayer vertreten. Dieser ging nicht auf die Regierungskrise in seinem Land ein, sondern forderte dazu auf, «die Einwanderung aus Afrika und dem Nahen Osten zu stoppen».
Auch in Wien beteiligten sich mehrere tausend Menschen an pro-europäischen Aktionen. Am Tag nach den spontanen Protesten vor dem Bundeskanzleramt waren bei der Demonstration am Sonntag auch regierungskritische Töne zu hören: In Anspielung auf den Vornamen von Kanzler Sebastian Kurz machte der Slogan «Basti Ciao» die Runde, die Teilnehmer forderten zudem den Rücktritt aller verbleibender FPÖ-Minister.
Nach Angaben der Veranstalter fanden europaweit Demonstrationen gegen Nationalismus in insgesamt rund 50 Städten statt. Aktionen gab es unter anderem in Polen, Frankreich, Grossbritannien und Bulgarien.
(SDA)