In Warschau schwenkten sie polnische und Europa-Flaggen und riefen: «Wir bleiben» und «Wir sind Europa!». Auch in Danzig, Posen, Stettin, Krakau und vielen weiteren Städten gab es Demonstrationen.
Zu den Protesten aufgerufen hatte der ehemalige EU-Ratspräsident und polnische Oppositionsführer Donald Tusk. «Der Platz Polens ist in Europa», sagte Tusk am Sonntag vor den Demonstranten in Warschau und kritisierte die Regierung. Die nationalkonservative Regierungspartei PiS rede schon nicht mehr drumherum, dass sie das Land aus der EU führen wolle. «Wir werden gewinnen, denn wir sind mehr!» Laute Zwischenrufe und Sprechchöre aus einer Gegendemonstration rechtsnationaler Gruppierungen unterbrachen Tusk und auch die anderen Redner immer wieder.
Polens Verfassungsgericht hatte am Donnerstag geurteilt, dass bestimmte Elemente des EU-Rechts gegen die polnische Verfassung verstossen. Damit gab es nationalem Recht den Vorrang vor EU-Recht. Diese Entscheidung heizt den Konflikt zwischen der EU-Kommission und Warschau um die Reform des polnischen Justizsystems weiter an.
In Danzig sprach am Abend der Friedensnobelpreisträger und einstige polnische Präsident Lech Walesa zu den Demonstranten. «Die Menschen, die heute den Staat führen, sind ein grosses Unglück für Polen», sagte der frühere Chef der Gewerkschaft Solidarnosc. Kein Feind, der Polen je regiert habe, habe die Menschen im Land derart gespalten wie die PiS.
Nach einer aktuellen Umfrage sehen gut 88 Prozent der Polen die Mitgliedschaft ihres Landes in der Staatengemeinschaft positiv, nur gut 9 Prozent bewerten sie negativ.
Polens nationalkonservative PiS-Regierung baut das Justizwesen seit Jahren um. Kritiker werfen ihr vor, Richter unter Druck zu setzen. Die EU-Kommission hat wegen der Reformen bereits mehrere Vertragsverletzungsverfahren gegen Warschau eröffnet und Klagen beim EuGH eingereicht. (SDA)