Europa bebt
Die grosse Wut auf die Griechen

Tatort Brüssel: Die Wut der europäischen Politiker über den Leerlauf wächst. Besonders Tschechien geht mit Griechenland hart ins Gericht und fordert, das Land in den Abgrund fallen zu lassen.
Publiziert: 22.06.2015 um 19:48 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 22:25 Uhr
Foto: Keystone
Von Guido Felder

So ein Leerlauf. Wieder ist in der Griechen-Frage keine Einigung erzielt worden. Gestern waren es zuerst die EU-Finanzminister, die über griechische Sparvorschläge berieten, dann am Abend die Staatschefs. Resultat: Die Verhandlungen wurden vertagt, obwohl das europäische Hilfsprogramm am 30. Juni ausläuft und dann der Bankrott Griechenlands droht.

Weil «keine Entscheidungsgrundlage» vorliege, stufte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel das Treffen schon vor Beginn zum «Beratungsgipfel» herunter. Ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble (72) sagte verärgert: «In so kurzer Zeit ist eine seriöse Prüfung der Vorschläge Athens nicht möglich.»

Die Vorschläge sind auch nicht neu: höhere Mehrwertsteuer, Streichung der Senioren-Zusatzrenten, Beibehaltung der Immobiliensteuer, neue Reichensteuer, sofortige Abschaffung der Frührente, weniger Armeeausgaben, Fortsetzung von Privatisierungen.

Die Wut der europäischen Politiker über den Leerlauf wächst. Selbst bedächtige Minister der EU-Staaten verloren gestern ihre Contenance. Finnlands Finanzminister Alexander Stubb (47) sagte: «Wir haben viele Flugmeilen verschwendet.»

Österreichs Finanzchef Hans Jörg Schelling (61) ärgerte sich gestern über das Vorgehen der Griechen: «Heute um zwei Uhr in der Früh Vorschläge zu schicken und dann zu erwarten, dass man am Mittag Entscheidungen trifft, ist schon etwas gar übermütig.»

Heftig war die Reaktion aus Tschechien. Finanzminister Andrej Babis (60) sprach sich dafür aus, Griechenland in den Abgrund fallen zu lassen. Babis: «Griechenland ist in den letzten 200 Jahren viermal pleitegegangen. Es sollte endlich ein fünftes Mal den Bankrott erklären, damit der Raum bereinigt wird.»

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker (60) sagte nach dem Treffen: «Wir haben noch eine lange Durststrecke vor uns. Mein Ziel ist immer noch, dass wir eine Einigung bis Ende der Woche finden.»

Während die Staatschefs bis am späten Abend über Auswege aus der Schuldenkrise berieten,  demonstrierten in Athen Tausende Griechen für einen Verbleib in der Währungsunion: «Griechenland, Europa, Demokratie!», skandierten sie.

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