Die Besetzung der EU-Spitzenposten für die nächsten Jahre war eigentlich Topthema für das Treffen der Staats- und Regierungschefs am Donnerstag in Brüssel.
Doch die Diskussion über das neue Klimaziel zog sich derart in die Länge, dass des grosse Postenpoker am Abend noch nicht einmal begonnen hatte. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hatte die Erwartungen zum Auftakt des Treffens ohnehin gedämpft.
In der Klimadebatte hatte Frankreich eine Festlegung auf 2050 für die «klimaneutrale EU» vorgeschlagen, Merkel unterstützte dies ausdrücklich.
Doch vor allem Polen wehrte sich mit Unterstützung von Ungarn, Tschechien und Estland gegen das verbindliche Zieldatum. Es wurde letztlich gestrichen. Die Fussnote verweist nach Angaben von Diplomaten darauf, dass eine Mehrheit der EU-Länder für das Datum war.
Die Staatenlenker standen wegen der Klimaproteste unter Druck. Auch Uno-Generalsekretär Antonio Guterres hatte die EU aufgefordert, Klimaneutralität bis 2050 anzustreben. Das soll dem Ziel des Pariser Klimaabkommens dienen, die globale Erwärmung bei zwei, oder aber bei 1,5 Grad zu stoppen, jeweils im Vergleich zurzeit vor der Industrialisierung.
Das Ziel bedeutet, dass die allermeisten Treibhausgase eingespart werden müssen. Der Rest muss ausgeglichen werden, etwa durch Aufforstung oder Speicherung. Gleichzeitig muss die Energieversorgung von Öl, Kohle und Gas auf Wind, Sonne, Biosprit und Co. umgestellt und Energie extrem sparsam eingesetzt werden.
Gewaltige Investitionen wären nötig. Polen hat einen hohen Anteil Kohlestrom und müsste sich noch mehr anstrengen als andere EU-Länder. Ministerpräsident Mateusz Morawiecki forderte deshalb einen Ausgleich.
Auch bei der Besetzung der EU-Spitzenposten schien die Lage zum Auftakt des Gipfels verfahren. Kanzlerin Merkel und EU-Ratschef Donald Tusk dämpften die Hoffnung, dass man sich bei dem zweitägigen Treffen bereits auf ein Personalpaket einigen könnte. «Wir haben noch ein paar Tage Zeit», sagte Merkel.
Es geht um die Nachfolge von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker sowie um vier weitere Ämter - die Präsidenten des EU-Rats, des EU-Parlaments und der Europäischen Zentralbank (EZB) sowie die Position der EU-Aussenbeauftragten.
Anspruch auf die Juncker-Nachfolge erhebt der Deutsche Manfred Weber, dessen konservative Europäische Volkspartei (EVP) bei der Europawahl erneut stärkste Kraft geworden ist.
Als Kandidaten ihrer Parteien beworben haben sich auch der Sozialdemokrat Frans Timmermans und die Liberale Margrethe Vestager. Die Regierungschefs haben das Recht zur Nominierung, anschliessend ist aber eine Mehrheit im EU-Parlament nötig.
Der französische Präsident Emmanuel Macron stellt sich gegen Weber. Aber auch für die anderen Kandidaten ist keine Mehrheit in Sicht. Merkel sagte, nötig sei eine Lösung erst bis zur konstituierenden Sitzung des neuen EU-Parlaments am 2. Juli. «Wie immer muss man Schritt für Schritt vorgehen.»
Sie betonte, dass ein Konsens mit dem EU-Parlament gefunden werden solle. Der irische Premierminister Leo Varadkar rechnete nach eigenen Worten mit einem Sondergipfel Ende Juni oder Anfang Juli.
Trotz eindringlicher Mahnungen von EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger schoben die EU-Staaten auch den Entscheid über den EU-Gemeinschaftshaushalt für das kommende Jahrzehnt auf die lange Bank. Die Staats- und Regierungschefs gaben am Donnerstag offiziell ihr ursprüngliches Ziel auf, bereits im Oktober eine Einigung über das Budget für die Jahre 2021 bis Ende 2027 zu erzielen. Neues Ziel ist nunmehr eine Einigung bis Ende dieses Jahres.
Oettinger hatte zuletzt mehrfach schnellere Fortschritte angemahnt. Seinen Angaben zufolge drohen nun wegen fehlender Planungssicherheit schwerwiegende Konsequenzen für Investitionen und Arbeitsplätze.
Einig waren sich die 28 Staaten immerhin bei der Verlängerung der Wirtschaftssanktionen, die wegen des Ukraine-Konflikts gegen Russland verhängt worden waren.
Die EU hatte die Handels- und Investitionsbeschränkungen trotz Milliardenverlusten für heimische Unternehmen zuletzt im Dezember 2018 bis zum 31. Juli 2019 verlängert. Sie sollen nun weitere sechs Monate gelten.
Eingeführt wurden die EU-Strafmassnahmen nach dem Absturz eines malaysischen Flugzeugs mit 298 Menschen an Bord über der Ostukraine im Juli 2014. Auf eine Aufhebung soll Russland erst hoffen können, wenn die Vereinbarungen des Minsker Friedensplanes zum Ukraine-Konflikt komplett erfüllt sind.
(SDA)